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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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überlegte.
    «Nein – kaum. Ich meine, ich weiß, nicht… Ich bin ziemlich sicher, dass er… nicht mehr ganz jung war. Seine Schultern wirkten – na ja, gesetzt, wenn Sie verstehen, was ich meine.» Der junge Mann nickte. «Dreißig oder älter, genauer kann ich es Ihnen nicht sagen. Ich muss gestehen, dass ich ihn kaum angesehen habe. Nur sie – mit den Händen um den Hals, und ihr Gesicht – ganz blau angelaufen… manchmal träume ich noch heute davon…»
    «Es muss erschütternd gewesen sein», sagte der junge Mann voller Anteilnahme.
    Er klappte sein Notizbuch zu und sagte:
    «Wann kehren Sie nach England zurück?»
    «Erst in drei Wochen. Ich werde doch vorher nicht gebraucht, oder?»
    Er konnte sie sofort beruhigen.
    «Aber nein. Im Augenblick können Sie gar nichts tun. Sollten wir jedoch jemanden festnehmen…»
    Er ließ die Bemerkung im Raum stehen.
    In der Post lag ein Brief von Miss Marple an ihre Freundin. Die Handschrift war steil und krakelig, und viele Wörter waren unterstrichen. Dank ihrer langen Übung konnte Mrs. McGillicuddy den Brief ohne weiteres entziffern. Miss Marple schrieb ihr ausführlich, und Mrs. McGillicuddy verschlang jedes Wort voller Genuss.
    Jane und sie hatten es ihnen gezeigt!

Elftes Kapitel
    I
     
    « I ch werde einfach nicht schlau aus Ihnen», sagte Cedric Crackenthorpe.
    Er lehnte sich an die morsche Mauer eines lange aufgegebenen Schweinestalls und musterte Lucy Eyelesbarrow.
    «Woraus werden Sie nicht schlau?»
    «Was Sie hier eigentlich machen.»
    «Ich verdiene meinen Lebensunterhalt.»
    «Als Perle?» Die Geringschätzung war ihm anzuhören.
    «Wo leben Sie denn?», sagte Lucy. «Perle, ich muss doch sehr bitten! Ich bin Wirtschafterin, eine professionelle Hausangestellte oder ein Geschenk des Himmels, meistens Letzteres.»
    «Aber Sie können doch unmöglich alles das mögen, was Sie hier zu tun haben – Kochen, Bettenmachen, mit einem Saugstauber oder wie das heißt herumsurren und Ihre Arme bis zu den Ellenbogen im Spülwasser versenken.»
    Lucy lachte.
    «Ich mag vielleicht nicht jede Einzelheit, aber beim Kochen kann ich meine Kreativität ausleben, und ich habe meine helle Freude daran, ein Chaos aufzuräumen.»
    «Ich lebe ständig in einem Chaos», sagte Cedric. «Und zwar gern», setzte er trotzig hinzu.
    «Das sieht man Ihnen an.»
    «Meine Finca auf Ibiza wird nach einfachen Grundsätzen geführt. Drei Teller, zwei Tassen und Untertassen, ein Bett, ein Tisch und ein paar Stühle. Überall sind Staub, Farbkleckse und Steinsplitter – ich bin Bildhauer und Maler – und von all dem haben die Leute die Finger zu lassen. Eine Frau hat da nichts zu suchen.»
    «In gar keiner Eigenschaft?»
    «Was wollen Sie damit sagen?»
    «Ich hatte angenommen, ein Künstler wie Sie hätte auch eine Art Liebesleben.»
    «Mein Liebesleben, wie Sie das nennen, tut nichts zur Sache», sagte Cedric würdevoll. «Aber herrschsüchtige Frauen mit so einem störenden Putzfimmel kann ich nicht haben.»
    «Ich würde mich zu gern mal über Ihre Finca hermachen», sagte Lucy. «Das wäre eine echte Herausforderung!»
    «Die Gelegenheit bekommen Sie nie!»
    «Das fürchte ich auch.»
    Ein paar Backsteine fielen aus dem Schweinestall. Cedric wandte sich um und sah in seine brennnesselüberwucherten Tiefen.
    «Die gute alte Madge», sagte er. «An die kann ich mich noch so gut erinnern. Eine Sau von richtig liebenswertem Wesen und eine produktive Mutter. Beim letzten Wurf siebzehn Ferkel, das weiß ich noch. An schönen Nachmittagen sind wir immer hergekommen und haben Madge mit einem Stock den Rücken gekratzt. Das hatte sie unheimlich gern.»
    «Warum hat man das ganze Anwesen eigentlich so verfallen lassen? Das kann doch nicht nur am Krieg gelegen haben.»
    «Das möchten Sie wohl auch gern aufräumen, was? Dass Sie sich aber auch überall einmischen müssen. Mir ist jetzt klar, dass die Leiche einfach von jemandem wie Ihnen entdeckt werden musste! Nicht einmal einen gräkoromanischen Sarkophag können Sie in Ruhe lassen.» Er schwieg kurz und beantwortete dann ihre Frage: «Nein, es liegt nicht nur am Krieg. Es liegt an meinem Vater. Was halten Sie eigentlich von dem?»
    «Ich hatte noch keine Zeit, mir ein Bild von ihm zu machen.»
    «Weichen Sie nicht aus. Er ist der größte Geizkragen unter der Sonne, und ich persönlich glaube ja, dass er auch nicht alle Tassen im Schrank hat. Natürlich hasst er uns alle – außer Emma vielleicht. Und alles nur wegen Großvaters

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