16 Uhr 50 ab Paddington
davon, dass ein Verbrechen verübt worden sein könnte», sagte sie. «Wenn eine junge Frau ihren Golfschwung verbessern will und auf der Wiese eine billige alte Puderdose findet, dann erwarten Sie doch nicht im Ernst, dass sie damit sofort zur Polizei läuft.» Miss Marple schwieg kurz und sagte dann: «Ich fand es viel klüger, zunächst die Leiche zu finden.»
Inspector Craddock war belustigt.
«Anscheinend haben Sie keine Sekunde daran gezweifelt, dass Sie eine finden würden.»
«Nein, allerdings nicht. Lucy Eyelesbarrow ist ein äußerst tüchtiger und intelligenter Mensch.»
«Das will ich meinen! Ihre umwerfende Effizienz jagt mir eine Heidenangst ein! Kein Mann wird es je wagen, dieses Mädchen zu heiraten.»
«Ach, sagen Sie das nicht… es kommt allerdings nur eine bestimmte Sorte Mann in Frage.» Miss Marple grübelte kurz. «Wie kommt sie in Rutherford Hall zurecht?»
«Man ist vollständig auf sie angewiesen, soweit ich das beurteilen kann. Frisst ihr aus der Hand – buchstäblich, könnte man sagen. Apropos, von ihrer Verbindung zu Ihnen weiß man dort nichts. Das haben wir vorläufig für uns behalten.»
«Im Moment stehen wir auch nicht in Verbindung. Sie hat ausgeführt, worum ich sie gebeten hatte.»
«Das heißt, wenn sie will, kann sie jederzeit kündigen und gehen?»
«Ja.»
«Sie bleibt aber da. Warum?»
«Das hat sie mir nicht verraten. Sie ist ein sehr intelligentes Mädchen. Ich nehme an, sie ist neugierig geworden.»
«Auf das Problem? Oder auf die Familie?»
«Möglicherweise sind die beiden schwer zu trennen», sagte Miss Marple.
Craddock sah sie prüfend an.
«Haben Sie einen Verdächtigen?»
«O nein – du liebe Zeit, nein!»
«Ich glaube doch.»
Miss Marple schüttelte den Kopf.
Dermot Craddock seufzte. «Ich kann also nur meine ‹Ermittlungen durchführen›, wie es so schön heißt. Als Polizist führt man ein ereignisloses Leben!»
«Sie werden Erfolg haben, da bin ich sicher.»
«Haben Sie irgendwelche Tipps? Weitere geniale Intuitionen?»
«Ich dachte in Richtung von Theatergruppen», vermutete Miss Marple. «Die geben überall Gastspiele und haben keine festen Bindungen. So eine junge Frau würde weit weniger vermisst.»
«Stimmt. Auf den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen. Wir werden dem nachgehen.» Dann fragte er noch: «Warum lachen Sie?»
«Ich stelle mir gerade Elspeth McGillicuddys Gesicht vor», sagte Miss Marple, «wenn sie erfährt, dass wir die Leiche gefunden haben.»
II
«Also!», sagte Mrs. McGillicuddy. «Also, das…»
Es verschlug ihr die Sprache. Sie betrachtete erst den redegewandten netten jungen Mann, der ihr mit offiziellen Referenzen seine Aufwartung gemacht hatte, dann die Fotografien, die er ihr gegeben hatte.
«Das ist sie», sagte sie. «Ja, das ist sie. Das arme Ding. Aber ich bin ehrlich froh, dass Sie ihre Leiche gefunden haben. Mir wollte ja niemand ein Wort glauben! Weder die Polizei noch das Bahnpersonal oder sonst jemand. Es ist äußerst verdrießlich, wenn einem niemand glaubt. Jedenfalls kann mir niemand vorwerfen, ich hätte nicht alles getan, was ich konnte.»
Der nette junge Mann murmelte mitfühlend und verständnisvoll.
«Wo, sagten Sie noch gleich, wurde die Leiche gefunden?»
«In der Scheune eines Landsitzes namens Rutherford Hall, kurz vor Brackhampton.»
«Nie gehört. Ich wüsste bloß gern, wie sie da hingekommen ist.»
Das konnte ihr der junge Mann auch nicht sagen.
«Ich nehme an, Jane Marple hat sie gefunden. Auf sie kann man sich verlassen.»
Der junge Mann zog seine Unterlagen zu Rate und sagte: «Die Leiche wurde von einer Miss Lucy Eyelesbarrow gefunden.»
«Auch noch nie gehört», sagte Mrs. McGillicuddy. «Trotzdem glaube ich, dass Jane Marple ihre Finger im Spiel hatte.»
«Noch einmal zum Wichtigsten, Mrs. McGillicuddy: Sie können dieses Bild eindeutig als das der Frau identifizieren, die Sie in einem Zug gesehen haben.»
«Wo sie von einem Mann erdrosselt wurde. Ja, das kann ich.»
«Können Sie uns diesen Mann beschreiben?»
«Er war sehr groß», sagte Mrs. McGillicuddy.
«Und?»
«Und dunkel.»
«Und?»
«Mehr kann ich Ihnen nicht sagen», sagte Mrs. McGillicuddy. «Er stand mit dem Rücken zu mir. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen.»
«Würden Sie ihn wieder erkennen, wenn Sie ihn sähen?»
«Natürlich nicht! Er kehrte mir doch den Rücken zu. Ich konnte sein Gesicht gar nicht sehen.»
«Können Sie schätzen, wie alt er war?»
Mrs. McGillicuddy
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