Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
es für das Beste hielt, wenn wir beide erst mal die Köpfe zusammenstecken.»
    Miss Marple lächelte ihn an.
    «Wer Sie nur in Ihrer offiziellen Funktion kennt», sagte sie, «käme wahrscheinlich nie auf den Gedanken, dass Sie so menschlich sein können. Und Sie sehen besser aus denn je – nicht rot werden… Was hat man Ihnen denn schon gesagt?»
    «Alles, glaube ich. Ich habe die erste Aussage Ihrer Freundin Mrs. McGillicuddy bei der Polizei von St. Mary Mead, die Bestätigung ihrer Aussage durch den Schaffner sowie die Notiz für den Bahnhofsvorsteher von Brackhampton. Ich möchte meinen, alle Betroffenen haben die erforderlichen Nachforschungen angestellt – sowohl bei der Eisenbahn als auch bei der Polizei. Aber Sie haben sie mit Ihren phantastischen Vermutungen zweifellos allesamt übertroffen.»
    «Keine Vermutungen», sagte Miss Marple. «Außerdem war ich im Vorteil. Ich kannte Elspeth McGillicuddy. Die anderen nicht. Niemand konnte ihre Geschichte bestätigen, und wenn keine Frau als vermisst gemeldet wird, dann muss der Rest der Welt ja glauben, eine alte Frau hätte Hirngespinste. So was haben alte Frauen schließlich oft genug – nur eben Elspeth McGillicuddy nicht.»
    «Elspeth McGillicuddy nicht», stimmte der Inspector ihr zu. «Ich freue mich schon darauf, sie kennen zu lernen. Schade, dass sie auf Ceylon ist. Wir haben übrigens Vorsorge getroffen, dass sie dort befragt wird.»
    «Meine eigenen Überlegungen waren nicht sonderlich originell», sagte Miss Marple. «Das steht alles schon bei Mark Twain. Der Junge, der das Pferd fand. Er fragte sich einfach, wo er hingehen würde, wenn er ein Pferd wäre, dann ging er hin, und da war das Pferd.»
    «Sie haben sich gefragt, was Sie als brutaler und blutrünstiger Mörder tun würden?», fragte Craddock und musterte nachdenklich die rosige Blässe und Zerbrechlichkeit der alten Dame. «Also, Ihr Verstand –»
    «Wie ein Spülstein, pflegte mein Neffe Raymond zu sagen», stimmte Miss Marple zu und nickte lebhaft. «Ich erwiderte darauf immer, Spülsteine seien im Haushalt unentbehrlich und in der Regel sehr reinlich.»
    «Können Sie nicht noch ein wenig weitergehen, sich an die Stelle des Mörders versetzen und mir sagen, wo er jetzt ist?»
    Miss Marple seufzte.
    «Das würde ich ja nur zu gern. Aber ich weiß es nicht – ich habe nicht die geringste Ahnung. Es muss jedoch jemand sein, der in Rutherford Hall gewohnt hat oder sich dort zumindest hervorragend auskennt.»
    «Da stimme ich Ihnen zu. Aber damit begeben wir uns auf ein weites Feld. In Rutherford Hall hat eine ganze Reihe von Zugehfrauen gearbeitet. Das Women’s Institute hält dort Veranstaltungen ab – und vorher die Luftschutzhelferinnen. Sie alle kennen die Große Scheune und den Sarkophag, und sie alle wissen, wo der Schlüssel aufbewahrt wird. Der Schauplatz ist in der ganzen Gegend bekannt. Buchstäblich jeder könnte für seine Zwecke auf die Große Scheune verfallen.»
    «So, so. Ich verstehe durchaus Ihre Probleme.»
    Craddock sagte: «Bevor wir die Leiche nicht identifiziert haben, kommen wir nicht weiter.»
    «Und das könnte eine langwierige Angelegenheit werden?»
    «Ach, früher oder später wird es uns schon gelingen. Wir gehen sämtlichen Vermisstenanzeigen nach, bei denen es um Frauen dieses Alters und Aussehens geht. Bisher ist die richtige noch nicht dabei. Der Pathologe schätzt sie auf etwa fünfunddreißig, gesund, wahrscheinlich verheiratet, mindestens ein Kind. Ihr Pelzmantel war billig und stammt aus einem Londoner Geschäft. Im letzten Vierteljahr sind hunderte solcher Mäntel verkauft worden, rund sechzig Prozent davon an blonde Frauen. Keine Verkäuferin kann mit der Fotografie der Toten etwas anfangen oder uns sagen, ob der Mantel kurz vor Weihnachten gekauft wurde. Ihre anderen Kleidungsstücke sind überwiegend ausländische Fabrikate und wurden zumeist in Paris gekauft. Es gibt keine englischen Wäschezeichen. Wir haben uns mit Paris in Verbindung gesetzt, und dort geht man der Sache für uns nach. Früher oder später wird natürlich jemand eine vermisste Verwandte oder Untermieterin melden. Das ist bloß eine Frage der Zeit.»
    «Die Puderdose war keine Hilfe?»
    «Leider nicht. Diese Artikel gehen an der Rue de Rivoli für wenig Geld zu hunderten über den Ladentisch. Ach, die hätten Sie – oder eher Miss Eyelesbarrow – übrigens sofort bei der Polizei abliefern sollen.»
    Miss Marple schüttelte den Kopf.
    «Aber da war doch noch gar keine Rede

Weitere Kostenlose Bücher