160 - Die Schrecken von Kabuul
überhaupt vernünftig sprechen konnte.
Seine Schöne kam bald zurück. Sie sah lange nicht mehr so erschöpft aus, und viel schwungvoller, als sie die Treppe hinauf gestiegen war, lief sie die Stufen hinunter. Sie kaute. Er winkte ihr zu, doch sie nahm ihn nicht wahr.
Zurück bei ihrem Kamshaa und eben im Begriff, das Tier von einem der Wandhaken loszubinden, zuckte sie plötzlich zurück. Sie riss ihr Schwert aus der Rückenkralle, stand breitbeinig und bedrohte die weiße Wand des Heilerhauses mit ihrer Klinge.
Die Gespräche auf den Treppenstufen verstummten. Etwa zehn Augenpaare beobachteten die schöne Barbarin. Auf einmal holte sie aus, ihr Schwert zerschnitt die Luft und fuhr in die Hauswand. Funken sprühten, Stein splitterte, die Männer und Frauen auf den Stufen der Vortreppe lachten. Nur er, er lachte nicht. Sie tat ihm Leid, seine schöne Schwertträgerin.
Sie drehte sich nach den Lachern um, erst verblüfft, dann ratlos und schließlich zornig. Das Lachen verstummte. Die Fremde steckte ihr Schwert zurück in die Rückenkralle, löste die Zügel ihres Kamshaas vom Wandhaken, stieg in den Sattel und ritt auf den Platz des Kometen hinaus.
Er zog sich an seinen Krücken hoch, um ihr zu folgen.
Jemand hielt ihn am Mantel fest. »Haste noch SAK, Al'Steiner? Gib was her!« Er blickte der Frau hinterher und versuchte sich loszureißen, doch der andere – ein Mann, jünger und kräftiger als er – hielt ihn fest. »Gib schon, dauert noch so lang, bis Bin Theo mir geben kann. Gib schon her!« Er fuchtelte mit einer Tüte Trockenfrüchten. Al'Steiner drückte ihm einen Klumpen SAK in die Hand und nahm dafür die Obsttüte. Danach humpelte er auf den Platz des Kometen hinaus. Seine Schöne verschwand eben in der Gasse neben dem Schutthaufen.
In der folgenden Nacht schlich er auf eine der Weiden außerhalb der Stadt und stahl sich einen Mauler. Das dunkelgraue Reittier mit der weißen Schnauze trug ihn am folgenden Nachmittag zum Hause Bin Theodors. Er musste nur zwei Stunden warten. Sie war blass, sah müde aus und wankte, als sie an ihm vorbei die Stufen hinaufstieg. Kauend und mit einer um die Schulter gehängten Ledertasche kam sie ein paar Minuten später wieder aus dem Haus.
Einige der Wartenden kannten sie bereits, stießen sich an und feixten. Tatsächlich blieb Al'Steiners Angebetete auf der untersten Stufe stehen. Wer immer auf der Treppe saß, stand auf und zog sich ein paar Schritte zurück; nur Al'Steiner nicht.
Doch statt ihr langes Schwert zu ziehen und die Luft zu zerschneiden fing sie an zu reden. Obwohl er kaum noch die Hälfte dessen verstand, was Menschen in seiner Gegenwart sprachen, rutschte er näher an sie heran, um ja kein Wort zu versäumen. Sie sprach von Dingen, die ihn in ungläubiges Erstaunen versetzten, von unterirdischen Städten, von einem Feuervogel, mit dem man zu den Sternen fliegen konnte, von Taratzen und Mutanten, von einem unauslöschlichen Feuer am Kratersee und von einem brennenden Felsen. Sie benutzte Worte, die Al'Steiner nie zuvor gehört hatte. Eines konnte er sich einprägen: Maddrax.
Plötzlich schrie sie auf, und dann riss sie doch noch ihr Schwert aus der Kralle. Al'Steiner warf sich auf die Treppenstufen, die Männer und Frauen im Hof und oberhalb der Treppe unter dem Vordach wichen erschrocken zurück. Sie aber, die Schöne, zerhackte gar nicht die Luft, sondern stürmte schreiend auf ihr Kamshaa los. Das riss den Kopf in den Nacken, blökte und zerrte an seinem Zügel. Die Schöne blieb stehen. Das Schwert mit beiden Händen über ihrem Kopf zum Schlag erhoben, verharrte sie ein oder zwei Atemzüge lang.
Schließlich stieß sie ein paar Worte in fremder Sprache aus, steckte das Schwert weg und stieg in den Sattel.
Die Gaffer hielten sich die Bäuche vor Lachen. Dabei gab es kaum einen unter ihnen, dem es am Anfang nicht ähnlich gegangen war. Al'Steiner erinnerte sich zwar nur noch bruchstückhaft an sein früheres Leben, aber die nackten, dreiäugigen Riesen, die in den ersten Tagen mit SAK von den Bergen gestiegen waren und ihn durch die Gassen und Ruinen gejagt hatten, würde er sein Leben lang nicht vergessen.
Ihr Kamshaa-Bulle trottete aus dem Hof. Zwischen den Torpfosten hob er den Schwanz und ließ ein paar dampfende Brocken fallen. Die Schöne fuhr im Sattel herum und stieß Worte aus, die Al'Steiner weder verstand noch kannte. Die Leute lachten noch lauter.
Bis einer ihn bei den Schultern packte. »Hey, Alter, gib her, was du hast. Tu's
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