160 - Die Schrecken von Kabuul
persönlich dieses Mal!« Seine Rechte fuhr zum Knauf seines linken Säbels.
»Was regst du dich auf?«, flüsterte Gebra vom Bett aus. Es war ihr erster fieberfreier Tag. »Sie kommen schließlich nicht zum ersten Mal. Bin Theodor wird sich hüten, uns auszuliefern.«
»So? Und wie wird sich der Medizinmann verhalten, wenn sie diesmal mit blank gezogenen Säbeln vor ihm stehen?«
Etwas in Kara Bin Paalis Stimme alarmierte die junge Frau.
Vorsichtig richtete sie sich auf und schob sich von der Matratze. Am Stuhl vor ihrem Bett zog sie sich hoch. Sie hängte den Stumpf des rechten Armes in die Schlinge, die sie um den Hals trug, und tastete sich an der Wand entlang bis zum Fenster. Ihr wurde übel und schwarze Ringe rotierten vor ihren Augen, doch sie hielt sich auf den Beinen.
»Schau sie dir an.« Kara Bin Paali legte seinen Arm um Gebra und hielt sie fest. »So führt sich niemand auf, der nur kommt, um höflich ein paar Erkundigungen einzuholen.« Zwei Stockwerke tiefer vertrieben Männer und Frauen der WEER die wartenden Patienten von der Treppe und aus dem Hof.
»Wir hauen ab!« Der stämmige Mann führte Gebra zurück zum Bett. »Zieh dich an!« Durch die verschlossene Tür hörte man stampfende Schritte und Gebrüll. »Mach schnell…«
Kara Bin Paali wickelte ein schwarzes Tuch um seinen Kopf und schlüpfte in seinen grauen Mantel. Er hatte ihn gereinigt und geflickt in den Tagen, als er neben dem Bett seiner Braut wachte und seine Gehirnerschütterung auskurierte.
Der Lärm der Schritte im Untergeschoss verebbte, die Stimmen waren jetzt aus dem Ofen zu hören. Kara Bin Paali riss die Heizungsklappe auf und lauschte. Omar Alifrid Bin Theodor beheizte sein Haus mit einem zentralen Kachelofen in den Praxisräumen. Ein paar Männer und Frauen, deren Hirn das SAK schon zerfressen hatte, verdienten sich ihre Tagesration, indem sie den großen Ventilator in Schwung hielten. Luftschächte verteilten die erhitzte Luft auf diese Weise im ganzen Haus. Und nicht nur die Luft – auch die Worte, die in den Behandlungsräumen gesprochen wurden.
»Wir wollen Gebra und ihren Räuberhauptmann«, sagte eine Männerstimme. »Wir wissen, dass du sie im Haus versteckt hältst.« Auf dem Bett riss Gebra Mund und Augen auf.
»Toorsten…«, flüsterte sie. Hektisch schnürte sie ihre Stiefel.
»Ich verstehe die WEER nicht mehr, Oberst!« Der Medikus markierte den Empörten. »Drei Mal wart ihr bei mir, drei Mal habe ich euch gesagt, dass ich Gebra nicht gesehen habe, seit sie den General verlassen hat! Und jetzt vertreibt ihr mir sogar meine Patienten! Ich werde mich beim General beschweren!«
»Nur zu! Nur zu!« Metall rieb gegen Metall. Gebra zuckte zusammen. Dort unten hatte jemand seine Klinge blank gezogen. »Ich könnte auch zu Calli Eff schicken lassen. Er wäre hoch interessiert zu erfahren, dass du seine Tochter versteckt hältst. Was glaubst du, was seine Damen mit dir und deinem Haus anstellen, wenn sie Gebra zur Steinigung abholen…?«
»Schnell«, flüsterte Gebra. Sie steckte sich einen Würfel in den Mund und deutete zur Decke. Todesangst stand ihr ins bleiche Gesicht geschrieben. »Lass uns ganz schnell abhauen…« Sie kaute, als gelte es ihr Leben.
Kara Bin Paali holte einen Hakenstab hinter dem Ofen hervor, zielte nach dem Deckenring und zog die Falltür zum Speicher herunter.
»Das kannst du gern versuchen«, tönte es aus dem Heißluftschacht.
»Ich glaube kaum, dass Calli Eff Verleumdungen Glauben schenken wird, die Süchtige über einen unbescholtenen Bürger verbreiten. Und noch weniger wird er sein Ohr einem Angehörigen der WEER leihen!« Omar Alifrid Bin Theodor versuchte gelassen zu klingen, doch der heisere Unterton in seiner Stimme war nicht mehr zu überhören.
»Weil er sich sonst um jemanden bringen würde, der günstiger liefert als wir?«, fragte Al'Myller höhnisch.
»Was redest du…?« Ein klatschendes Geräusch schallte aus dem Schacht, dann ein dumpfer Schlag.
»Du machst Geschäfte auf eigene Faust, Bin Theodor! Glaubst du, wir wissen das nicht…?!«
Kara Bin Paali hob die vor Angst wimmernde Gebra bäuchlings über seine linke Schulter. Dann packte er die Leiter und nahm Sprosse um Sprosse.
»Du hast der Fremden SAK gegeben! Das ist gegen unsere Abmachung! Wir brauchen jeden, der ein Schwert zu führen versteht! Du aber nutzt ihre Talente aus und setzt sie als deinen persönlichen Kurier ein! Das nenne ich Verrat…!«
»Nein!« Jämmerlich tönte Bin Theodors
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