160 - Die Schrecken von Kabuul
zeitweise den Bergkamm und den Pass von Saroovby sehen. Kundschafter hatten dort das Lager der Karawane entdeckt. Gute Nachrichten auch vom Unterführer des Vorauskommandos.
Toorsten Al'Myller hatte also Grund zur Zuversicht, als er sein Sondereinsatzkommando über steinige Serpentinen in die Talsenke hinunter führte. Der Himmel zog sich zu, von fern grollte Donner, aus der Senke stieg Nebel auf. Der Nebel hüllte die Truppe der WEER ein. Geröll von altem Steinschlag versperrte den Weg. Aus dem Nebel schälten sich nach und nach massige Gestalten. Einige stiegen den Berghang hinauf, andere stürmten von oben in die rechte Flanke der Reiter und Reiterinnen.
»Verteidigungsformation…!«, brüllte der Oberst und zog seine Klinge …
***
Bögen und Kugeln aus buntem Licht flimmerten tief unter ihr, wo die Wassermassen in einem schäumenden Felskessel aufschlugen. Manchmal glaubte Aruula, Götterboten Wudans durch die Gischt des stürzenden Flusses fliegen zu sehen. Hoch über ihr, wo der Fluss sich über die Felskante ergoss, glaubte sie Dutzende von Taratzen Schädel an Schädel zu ihr herab spähen zu sehen.
Sie hatte sich an die Halluzinationen gewöhnt, genoss die angenehmen unter ihnen inzwischen sogar. Nur als auf einmal die vertraute Gestalt aus dem aufsprühenden Wasservorhang über dem Felskessel trat, das vertraute Gesicht lächelte und die ersehnten Arme sich nach ihr ausstreckten, da krampfte sich ihr Herz zusammen und sie konnte nicht anders, als dem Bild des Gefährten auch ihre Arme entgegen zu strecken…
Endlich, Maddrax, mein geliebter Maddrax, ich komme zu dir…
»Spinnst du jetzt?«, keifte es hinter ihr. »Mach schon, du reitest als Erste. Los!« Seit Gebra mit einem schier unerschöpflichen Vorrat an SAK ritt, kaute sie unablässig und kehrte ihre aufgekratzte, angriffslustige und herrschsüchtige Seite heraus. Aruula hasste sie dafür. Im Untergrund ihres dumpfen Bewusstseins wusste sie, dass es der Stoff war, der die einhändige Frau in ein Ekel verwandelte. Manchmal konnte sie dieses unterschwellige Wissen in einen klaren Gedanken fassen, und dann verwandelte ihr Hass auf Gebra sich in Selbsthass. Auch sie kaute ohne Unterlass die rotbraunen Würfel, auch ihr Wesen wurde ihr selbst von Tag zu Tag fremder.
»Lieber, lieber Pushnik, bring mich heil da rüber«, lallte sie und fasste den langen Riemen, den Gebra ihr zugeworfen hatte.
An ihm wollte sie den reiterlosen Mauler mit den beiden Kisten hinter sich her ziehen. Der Kamshaa-Bulle grunzte und trottete los – den Felspfad hinunter zum Abgrund, hinter den Vorhang aus Wasser, Gischt und Rauschen, und dann dicht an der glatten nassen Felswand entlang. Der Riemen in Aruulas Hand blieb locker, der Mauler mit den beiden Kisten lief also hinter ihr. Sollte er abstürzen, würde sie sofort loslassen.
Vielleicht war der nasse Sims unter Rapushniks Hufen einen halben Meter breit, vielleicht auch einen Meter. Aruula sah starr geradeaus, und als sie den Gedanken an den Wassersturz zu ihrer Rechten gar nicht mehr unterdrücken konnte – etwa sechzig Schritte unter ihr donnerten die Wassermassen in den Felskessel –, begann sie ein Lied zu lallen, mit dem man auf den Dreizehn Inseln die kleinen Kinder in den Schlaf sang.
Um den Talkessel zu umgehen, waren sie bis zu dem Wasserfall geritten, wo er seinen Anfang nahm. Es sei kein Risiko, auf dem Felssims hinter dem stürzenden Wasser zur anderen Uferseite des Flusses zu gelangen, hatte Kara Bin Paali gesagt. Er und seine Komplizen hätten diesen Weg oft benutzt, noch nie sei einer dabei abgestürzt, und man würde fast drei Stunden einsparen. Sie hatten ausgelost, in welcher Reihenfolge sie den Wasserfall unterquerten.
Aruulas weißer Pelzmantel triefte vor Nässe, als Rapushnik sie endlich aus dem schmalen Tunnel zwischen Felswand und Wasserwand trug. Sie schmetterte die Kinderweise wie ein Sauflied. Als sie nach vier oder fünf Speerlängen den Abstand zwischen sich und der Wasserhölle groß genug wähnte, hielt sie das Kamshaa an und blickte zurück. Der Mauler mit den beiden Kisten stand neben einem Nadelholzbusch und kaute im Geäst herum. Sein Fell triefte, das Holz der Kisten war dunkel vor Nässe. Aruula wartete auf ihre beiden Gefährten.
Sie wartete lange. Irgendwann begann sie zu rufen. »Wo bleibt ihr?! Kommt doch endlich!« Gegen das Tosen der Wassermassen schrie sie die Namen der beiden. »Gebra! Kara Bin Paali!« Sie rief umsonst, sie wartete vergeblich.
Irgendwann wagte
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