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160 - Die Schrecken von Kabuul

160 - Die Schrecken von Kabuul

Titel: 160 - Die Schrecken von Kabuul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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deren Rand er auf seinem Mauler wartete. Drei Mauler folgten ihr. Auf zweien hockten mit buntem Tuch verhüllte Gestalten, über einem hingen zwei Kisten.
    Er blickte zu ihr hinauf, als sie an ihm vorbei ritt. Der Wind bauschte ihr schwarzes Haar auf, ihr schönes Gesicht war kantig und angespannt. Sie kaute. Er wollte sie rufen, er wollte etwas sagen, irgendetwas – doch kein Ton kam über seine zitternden Lippen. Jede Bewegung ihres Körpers saugte er auf, ihre Haltung, die Form ihrer wundervollen Hände, den Schwung ihrer Lippen und Brauen. Und schließlich ihren geraden Rücken und ihr volles, im Wind flatterndes Haar.
    Sie hatte ihn nicht wahrgenommen, aber das machte nichts.
    Er war erfüllt von ihr. Das reichte ihm.
    Auf dem Mauler hinter ihrem Kamshaa saß ebenfalls eine Frau. Er kannte sie. Den Mann, der am Ende der kleinen Karawane ritt, kannte er nicht. Ein ungeschlachter Bursche, den er hoffentlich auch nie kennen lernen musste, denn er musterte ihn grimmig, als er vorüber ritt.
    Kurz bevor der Rücken des Mannes dreihundert Schritte weiter mit der Dunkelheit verschwamm, trieb Al'Steiner seinen Mauler auf die Gasse und ritt der kleinen Karawane hinterher.
    Nein, es reichte nicht, erfüllt von ihrem Bild zu sein; nicht ganz. Er musste in ihrer Nähe sein. Also folgte er der Schönen und ihren Begleitern Richtung Osten.
    Sie ritten aus der Stadt. Niemand kontrollierte sie, niemand hielt sie auf. Ungehindert trieben sie ihre Tiere den Weg hinauf, der in die Berge führte.
    Als er die letzten Hütten passierte, lösten sich vier Schatten aus den dunklen Umrissen der Gebäude.
    »Stehen bleiben!«, schnarrte eine Männerstimme. Öllampen flammten auf. Es waren Männer der WEER. Zwei hielten seinen Mauler fest, einer durchsuchte ihn, der vierte schnauzte ihn an: »Was treibst du dich hier rum, Mann! Hast du einen Passierschein?«
    »Seht euch das an«, sagte einer der beiden, die das Reittier festhielten. Er senkte seine Öllampe, sodass alle das Brandzeichen auf der Flanke des Maulers erkennen konnten: ein schwingenspreizender Greif. »Wir haben einen Dieb erwischt. Der Dreckskerl sitzt auf einem Mauler des Generals!«
    Er hob seine Lampe und leuchtete dem Reiter ins Gesicht.
    »O Scheiße«, sagte einer, und ein anderer: »Lasst ihn laufen, es ist der Vater des Obersts…«
    ***
    »Meine Güte, Al'Myller, ich wünsche Erfolg!« Der General war persönlich draußen, auf dem Berliner Platz erschienen, um den Oberst und sein vierzig Mann starkes Sondereinsatzkommando zu verabschieden. »Wenn uns dieses Geschäft glückt, können wir unseren Markt bis an die Küsten des arabischen Meeres ausweiten!« Er reichte dem Jüngeren einen der beiden Krüge, die er aus dem Haus gebracht hatte.
    »Man dankt, Magnus Al'Smidd, man dankt.« Der Oberst nahm den Krug und stieß mit dem Rotschopf an. Auch den anderen Reitern und Reiterinnen des Sondereinsatzkommandos brachten die Mägde des Generals Biir aus dem Keller des Generals. Das Klappern gegeneinander gestoßener Steinkrüge hallte über den Platz, ein paar Augenblicke fast andächtiger Stille folgten.
    Schließlich setzte der Oberst den leeren Krug ab. »Keine Sorge, Magnus Al'Smidd!« Er rülpste vernehmlich. »Die Götter lieben uns, und wir denken, man wird über ein neues Bauprojekt zu reden haben, sobald man zurück ist: über einen Stützpunk in Bombaai nämlich!« Der General machte ein Gesicht, als hätte Zahnschmerz ihn überfallen. »Wenn er doch bloß die Götter aus dem Spiel lassen könnte…«
    Viele Rülpser tönten jetzt in kurzer Zeit über den Platz.
    Toorsten Al'Myller reichte dem General seinen Krug und stieg auf seinen Mauler. »Sitzt auf!«, brüllte er. Vierzig Krüge wechselten die Hände, vierzig Männer und Frauen in schwarzen Mänteln und mit roten oder gelben Kopftüchern unter roten oder gelben Stirnringen stiegen in die Sättel. »In spätestens einer Woche ist man zurück!«, grüßte der Oberst ein letztes Mal in Richtung General. Danach winkte er und lenkte seinen Mauler auf den Platz hinaus. Seine Reiter folgten ihm in Zweierreihen.
    Die etwa zwanzig Spitzgiebelhäuser rund um den kleinen, aber zentralsten Platz von Kabuul waren dreistöckig, aus Stein gebaut und sauber verputzt. Über manchen Eingängen wehten Fahnen mit den Farben der WEER. Ausschließlich Familien von WEER-Angehörigen lebten hier, rund um den Berliner Platz. Viele von ihnen winkten aus den offenen Fenstern und Türen, als die Kolonne der schweren Mauler sich in

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