160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
über kurz oder lang aus ihm herausbekommen hätte, fand ich es besser, wenn er es ihr gleich erzählt.“
Abby verkrampfte sich – zum einen, weil das Orchester wieder einen Walzer anstimmte und einige der Gäste sie mit einem herablassenden Lächeln bedachten, zum anderen gefiel ihr die Vorstellung gar nicht, dass Spencers Freunde Bescheid wussten. „Sie müssen mich für eine sehr verdorbene Person halten, weil ich mich auf diese Abmachung eingelassen habe.“
„Sei ganz unbesorgt – sie werden dir keine Schuld geben. Die beiden sind an meine Komplotte gewöhnt“, entgegnete er trocken. „Solange du einfach nur du selbst bist, wird Lady Clara ganz begeistert von dir sein. Du bist genau die Sorte Frau, die sie mag.“
Was meinte er damit? „Und ihr Mann?“
Spencers Augen funkelten schelmisch. „Ich vermute, dass er ganz ihrer Meinung sein wird.“
10. KAPITEL
Lernen Sie Debrett’s auswendig! Wenn Ihnen das nicht gelingt, sollten Sie immer ein Exemplar in Reichweite haben.
Empfehlungen für den unerschütterlichen Diener
Als Spencer mit Abby zu den Blakelys hinüberging, stellte er fest, dass Evelina sich auch schon zu ihnen gesellt hatte. Blakely hielt Abby also allen Ernstes für eine Heiratsschwindlerin? Spencer konnte es kaum erwarten, mit anzusehen, wie schnell Abby Blakelys unsinnige Bedenken zerstreuen würde.
Nachdem er Abby die beiden als Captain Blakely und Lady Clara vorgestellt hatte, fügte er hinzu: „Blakely ist einer meiner ältesten Freunde. Wir haben uns bei der Marine kennen gelernt.“
„Ach so“, erwiderte Abby. „Ich dachte zunächst, dass du mit Seiner Lordschaft aufgewachsen wärst, so wie mit Evelina und ihrer Familie.“
„Ich bin nicht mit Lady Evelina aufgewachsen“, antwortete Blakely verdutzt.
Als Spencer Abbys Versehen bemerkte, wandte Evelina bereits freundlich ein: „Ich glaube, dass sie mit ihrem Mann gesprochen hat, Sir.“
„Aber dann bezeichnete sie mich ja als …“ Blakely verstummte, als er Spencers warnenden Blick bemerkte. „Oh, ich verstehe.“
„Ich habe etwas Falsches gesagt, nicht wahr?“ fragte Abby und klammerte sich an Spencers Arm.
„Aber nein!“ versicherten beide Männer einhellig.
Lady Clara schaute die zwei wütend an. „Höflichkeit ist hier nicht hilfreich. Ich bin mir sicher, dass Lady Ravenswood die angemessene Etikette lernen möchte.“ Sie bedachte Abby mit einem warmen Lächeln. „Mein Mann wird nicht als ‚Lord oder ‚Seine Lordschaft' angeredet.“
Abby blickte sie dankbar an. „Ich … nun, ich dachte, er hätte
auch einen Titel, da Sie ‚Lady’ genannt werden. Ich nahm an, dass er nur deshalb als Captain bezeichnet wird, da ein militärischer Rang bedeutender als ein Adelstitel ist. Als Captain geht man ja immerhin einer nützlichen Arbeit nach – aber als Lord?“
Blakely unterdrückte mühsam ein Lachen. „Hast du das gehört, Ravenswood? Deine Frau ist sehr aufgeweckt. Verrat uns doch, was ein Lord den ganzen Tag so macht!“
Evelina und Spencer musterten ihn finster, und Lady Clara sagte streng: „Morgan, es ist gut. Du bringst die arme Frau Seiner Lordschaft ja ganz in Verlegenheit.“
„Moment mal, ich dachte, ich sei hier Seine Lordschaft“, setzte Blakely nach. Nachdem seine Frau ihm einen leichten Stoß zwischen die Rippen versetzt hatte, wandte er sich an Abby: „Entschuldigen Sie bitte, es hat nichts mit Ihnen zu tun, Lady Ravenswood. Aber ich kann einfach keine Gelegenheit auslassen, mich über Ihren Mann lustig zu machen.“
Abby konnte sich nun dem burschikosen Charme Blakelys nicht länger entziehen und lockerte den Griff um Spencers Arm. „Dafür habe ich vollstes Verständnis. Auch ich kann der Versuchung nur selten widerstehen.“
„Trotzdem sollten Sie meinen rüpelhaften Mann nicht allzu ernst nehmen“, meinte Clara. „Er weiß ganz genau, wie schnell man mit unseren zahlreichen Anredeformen durcheinander kommen kann. Er ist nämlich auch nicht in England aufgewachsen.“
„Und ich habe mich wirklich nicht leicht getan, als ich es mit dreizehn Jahren plötzlich lernen musste, als ich in Irland auf die Schule geschickt wurde“, fügte Blakely versöhnlich hinzu. „Ich habe meinem Lehrer den Debrett’s vor die Füße geworfen und bin dafür ordentlich verprügelt worden. Ich habe Jahre gebraucht, um die letzten Finessen zu verstehen. Als mein Bruder, der in England groß geworden ist, mich in die Gesellschaft einführte, habe ich prompt eine Baroness
Weitere Kostenlose Bücher