1601 - 10. Januar 1200
mochte einsachtzig groß sein. Er hatte sich so viele Hemden, Sweater, Westen und Mäntel übergestreift, daß er unförmig wirkte. Er trug Stiefel, die gut und gern ihre dreißig Jahre unter den Sohlen hatten. Eine der Sohlen hatte sich vom Oberleder gelöst und gab den Blick auf eine durchlöcherte Socke frei.
Der Mann verströmte einen Geruch nach billigem Fusel. „Ich bin Joe Vermouth", sagte er. „Gibt's hier was zu trinken?"
*
Lep Wagner, Antialkoholiker aus Überzeugung, schrie den Zerlumpten an: „Raus! Hier gibt's nichts zu trinken, zumal für Leute wie dich nicht!"
Joe Vermouth hob abwehrend beide Hände. Die Bewegung brachte ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht. Er schwankte. „Nun mal lalangsam, junger Mann", sagte er. „Ich will ja nichts umsonst. Ich habe Tauschware."
Er sah sich um. Sein Blick fiel zuerst auf Joshu Ionson, dann auf Boris Siankow. Er kniff die Augen ein wenig zusammen, als könnte er so besser sehen. „Zum Donnerwetter, das sind doch die beiden auf dem Röhrengestell", brummte er. „War also doch keine Fata Morgana."
„Hau ab!" wiederholte Lep Wagner seine Forderung. „Moment mal", sagte Joshu. „Vielleicht hat er was, das wir brauchen können." An Joe Vermouth gewandt, fragte er: „Was bietest du uns an?"
Joe machte eine fahrige Geste zum Fenster hin. „Da draußen, auf dem Leiterwagen", antwortete er. „Ein Tischrechner. Popopositronisch, glaub' ich, funktioniert er."
Joshu warf seinem Chef einen vorwurfsvollen Blick zu. „Und den Mann wolltest du fortjagen?" sagte er.
Sie eilten hinaus. Joe Vermouth zog die Plane von seinem kostbaren Tauschgut. Tatsächlich, da stand er, ein wenig schief, weil er größer war als der Grundriß der Ladefläche des Leiterwagens: ein positronisches Tischrechengerät mit Zentraleinheit, Speichern, Konsole und Monitor, je nach Wahl für Netz- oder Batteriebetrieb geeignet. Der Computer war noch nicht einmal besonders alt.
Es handelte sich offenbar um eine Anfertigung speziell für Sammler, um den modernen Nachbau eines Systems, wie es noch vor eintausend Jahren in Gebrauch gewesen war.
Joshu Ionson deutete auf die zwei aneinandergeschweißten Rohre. „Was ist das da?" wollte er wissen. „Ein Schrotgewehr", antwortete Joe Vermouth stolz. „Zwillingslauf, tengauge. Aber das tausche ich nicht. Das behalt' ich selber."
„Wozu?"
„Wozu, fragst du?" wiederholte der Landstreicher ungläubig. „Weißt du, was da draußen los ist? Meinst du, die Menschen wären Engel? Die Stadt ist ausgestorben. In den Läden und Geschäften paßt kein Mensch auf die Ware auf. Da sind die Geier unterwegs und schnappen sich, was sie brauchen und was sie irgendwo gegen teures Geld verscherbeln können. Wenn du ihnen in die Quere kommst, werden sie böse. Deswegen habe ich das Schrotgewehr bei mir."
„Komisch", sagte Joshu, „ich war mit dem Fahrzeug unterwegs. Ich habe nirgendwo Plünderer gesehen."
„Hier, im Industrieviertel? Machst du Witze?" Joe Vermouth gab ein meckerndes Lachen von sich. „Geh mal in die Innenstadt, da siehst du sie."
Inzwischen hatten Boris Siankow und Lep Wagner gemeinsam den positronischen Rechner aus. dem Leiterwagen gewuchtet und schleppten ihn in Richtung des Haupteingangs. „He, wir haben noch nicht vereinbart, was ich dafür kriege!" rief Joe Vermouth hinter ihnen her.
Joshu legte ihm die Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, mein Freund", sagte er. „Wenn das Ding funktioniert, kriegst du genug zu trinken, daß es dir bei den Ohren herauskommt."
Drinnen, in Leps Arbeitszimmer, war Boris Siankow dabei, das Tischcomputersystem zusammenzubauen. Er brauchte dazu nur ein paar Minuten. Er schloß die Zentraleinheit, den Monitor und die Konsole ans Netz an, drückte ein paar Tasten, und prompt erwachte der Bildschirm zum Leben. Eine synthetische Stimme sprach aus dem Monitor: „Zum Laden des Betriebssystems CARRIAGE RETURN drücken."
„Dabei fällt mir ein", sagte Joshu: „Ein Drucker fehlt uns noch. Du wirst den Brief also doch per Hand schreiben müssen, Lep."
Lep Wagner gab ein unverständliches Gebrumme von sich, mit dem er seinem Mißfallen Ausdruck verleihen wollte. „Brief schreiben?" rief Joe Vermouth. „Ich wußte gar nicht, daß es so etwas heutzutage noch gibt. Ich dachte, ihr wickelt das alles über den Computer und das Kom-Netz ab. Wenn's ums Briefeschreiben geht, dann laßt mich mal ran. Ich hab' eine wunderschöne Handschrift."
*
Joshu Ionson hatte auf seinem
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