1602 - Die Lady aus der Hölle
diese Unperson weiß. Dann hätte er mich nicht zu engagieren brauchen und alles selbst in die Hand nehmen können. Es ist eine kleine Firma, aber sie hat Aufträge von der Regierung bekommen. Sie arbeitet für die Luftwaffe. Woran, das weiß ich nicht. Das würde man mir auch nicht sagen. Ich weiß nur, dass es sehr geheim ist.«
»Und man hatte den Verdacht, dass Richard Lester die Ergebnisse an jemand anderen verkaufen wollte.«
»Ja.«
Ich dachte vor meiner Frage kurz nach. »Sag mal ehrlich, Jane, hat sich dieser Richard Lester dann nicht ziemlich dumm angestellt? Er hätte doch wissen müssen, dass man ihn überwacht. Ich meine, dass Leute des Sicherheitsdienstes in der Nacht tätig sind. Ich begreife nicht, dass er sich so naiv angestellt hat.«
Jane sah mich ernst an. »Genau darüber habe ich auch nachgedacht. Ich kann mir das nur so erklären, dass Lester der Meinung war, dass ihm nichts passieren kann. Er hat sich sehr sicher gefühlt. Ja, so könnte es gewesen sein. Sich auf eine große Rückendeckung verlassen, die es letztendlich doch nicht gab.«
»Okay, Jane, und wer hätte diese Rückendeckung sein können?«
»Das weiß ich nicht.«
»Vielleicht seine Mörderin?«
Die Detektivin riss die Augen auf. »Das ist ziemlich weit hergeholt, John, wenn sie auf seiner Seite gestanden hat, warum hätte sie ihn dann töten sollen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Deshalb kann ich deine Theorie nicht nachvollziehen. Aber ich will sie auch nicht ins Reich der Fantasie verdammen. Jedenfalls ist sie eine besondere Frau, und das meine ich im negativen Sinne.«
»Klar, Jane. Ich denke nur daran, was wir schon alles erlebt haben. Von einer gesunden menschlichen Logik sind wir oft weit entfernt gewesen. Das sehe ich auch hier so. Aber dann kann ich mir auch vorstellen, dass die auf den Kopf gestellte Logik stimmt.«
Jane Collins winkte ab. »Okay, lassen wir es darauf ankommen. Beginnen wir also bei Richard Lester.«
»Okay. Wir werden zu ihm fahren und uns mal in seinem Haus umsehen.«
Jane stand mit einer raschen Bewegung auf und griff nach ihrem Mantel.
Auch ich erhob mich.
Es war ein komplizierter Fall, der mir große Probleme bereitete. So sehr ich auch hin und her dachte, ich gelangte zu keinem Ergebnis, das logisch gewesen wäre. Hier waren Kräfte am Werk, die zu einer Seite gehörten, die ich leider nicht kannte.
Es war mir nur klar, dass es sich um Schwarzblüter handelte, die möglicherweise für eine Gruppe von Menschen arbeiteten, die sich mit dieser anderen Seite verbündet hatten. Deshalb war ich gespannt darauf, ob wir in Lesters Haus einen Hinweis fanden.
Jane Collins hatte es ziemlich eilig. Sie war schon vorgegangen.
An einer der Lifttüren trafen wir uns wieder. Die Kabine kam Sekunden später. Wir ließen drei Menschen aussteigen, bevor wir den Lift betraten, in dem wir allein blieben.
Die Tür schloss sich, und Jane berührte den Kontakt, um die Kabine nach unten fahren zu lassen.
Ein kurzes Rucken, dann ging es abwärts.
Wir standen uns gegenüber. Jane lächelte. Sie wollte so etwas wie Optimismus ausstrahlen und mir zeigen, dass sie zuversichtlich in die Zukunft blickte.
Sekunden später stoppte der Lift. Nur waren wir noch nicht unten. Beide schauten wir uns an. »Was ist das denn?«, flüsterte Jane.
»Ein nicht vorgesehener Zwischenstopp.«
»Und das nimmst du so gelassen?«
»Nein.«
Eine Sekunde später erlosch auch die Beleuchtung.
Ich dachte an einen Stromausfall und wurde ebenso wie Jane Collins eines Besseren belehrt.
Die Ausmaße der Kabine waren recht geräumig. Schließlich sollte immer eine Gruppe von Menschen transportiert werden. Zu zweit hatten wir recht viel Platz.
Nur waren wir nicht mehr zu zweit. Zwischen mir und Jane Collins stand plötzlich eine dritte Person.
Es war die Mörderin mit den zwei unterschiedlichen Gesichtshälften…
***
Es war eine Überraschung, mit der wir beide nicht gerechnet hatten.
Aber wir hatten uns gut in der Gewalt, und so schrie niemand von uns auf. Wir nahmen den Besuch hin, der so nahe bei uns war, aber trotzdem weit entfernt. Das Gefühl zumindest hatte ich.
Sie stand da wie eine Schaufensterpuppe. Nichts an ihr bewegte sich.
Beide Arme hingen nach unten, aber die Finger der rechten Hand umklammerten den Griff eines Messers mit sehr langer Klinge. Es war die Waffe, durch die auch Richard Lester gestorben war.
Jane drehte der Person den Rücken zu. Mich schaute sie an und so sah ich ihr Gesicht sehr nahe vor mir.
Weitere Kostenlose Bücher