1604 - Panoptikum des Schreckens
dann.
Daran glauben wollte sie trotzdem nicht. Im Leben geschah nichts ohne Motiv, und das war auch hier bestimmt so. Es musste ein Motiv geben.
Aus Spaß hatte man sie nicht eingekerkert.
Purdy Prentiss gab trotzdem nicht auf. Sie wollte nicht länger auf der Matratze sitzen bleiben und stand auf. Ks war nicht leicht, auf dem schwankenden Untergrund zu stehen. Zwei Schritte später spürte sie festen Boden unter den Füßen.
In Situationen wie dieser holte man sich den Optimismus aus der letzten Ecke. So war es auch hier. Wäre sie neben der Matratze zu Boden gefallen, hätte sie sich nicht so bewegen können.
Purdy durchwanderte ihr Gefängnis. Hin und wieder schaltete sie das winzige Licht ein, um zu sehen, ob sich etwas verändert hatte, was jedoch nicht der Fall war.
Ihr Gefängnis war ein normaler Kellerraum. Noch immer suchte sie nach einem zweiten Ausgang. Sie leuchtete und tastete die glatten Wände ab, die an einigen Stellen rauer waren. Und dann entdeckte sie sogar eine Tür.
Beim ersten Absuchen hatte sie den Ausgang übersehen. Das war nicht verwunderlich gewesen, denn die Tür trat nicht besonders hervor. Sie hatte fast das gleiche Aussehen wie das Mauerwerk. Dunkelgrau und glatt.
Purdy ließ ihre Hände über das Metall gleiten und senkte sie bis zur Klinke hin. Sie ließ sich bewegen, aber das war auch alles. Man hatte die Tür von außen verschlossen.
Aber wo führte sie hin?
Genau daran musste sie denken. Was jenseits der Tür lag, war immer eine gewisse Neugierde wert. Erst recht in ihrem Fall. Es gab nur nichts, womit sie die Tür hätte öffnen können.
Mehr aus Routine als bewusst legte sie ein Ohr gegen das kalte Metall.
Sie rechnete nicht damit, hinter der Tür ein Geräusch zu hören, und zuckte zusammen, als sie trotzdem etwas vernahm.
War es ein Schnaufen? Oder ein Ächzen? Es konnte auch ein gefährliches Brummen sein, das von einem Tier abgegeben wurde. Hier musste man mit allem rechnen.
Das Geräusch blieb auch in der nächsten Sekunde bestehen. Purdy Prentiss glaubte sogar, dass es lauter wurde. Wenn das stimmte, näherte sich jemand der Tür, und sie nahm nicht an, dass es ein normaler Mensch war.
Sie spürte, wie sie zu zittern begann. Hier unten lief etwas Grauenhaftes ab, was möglicherweise für sie bestimmt war.
Ihr Kopf zuckte zurück, als etwas von der anderen Seite her gegen die Tür schlug. Das musste der Schlag mit einem Gegenstand gewesen sein oder mit einer Pranke.
Sie hütete sich vor irgendwelchen Fantasien, was nicht einfach war. Dahinter konnte alles Mögliche lauern. Angefangen bei einem Menschen bis hin zu einem Monster.
Der Schlag wiederholte sich nicht, aber der Ankömmling zog sich auch nicht zurück. Er kratzte an der anderen Seite der Tür, und seine Hand oder was immer es war - bewegte sich dabei nach unten und näherte sich dem Schloss.
War das eine Hoffnung? Oder sollte sie es negativ beurteilen? Sie wusste es nicht und wartete ab, bis die suchende Pranke zur Ruhe kam.
Das war nahe der Klinke auf der anderen Seite.
Purdy Prentiss trat einen kleinen Schritt zurück. Sie glaubte auch, dass sich im Schloss etwas drehte, und dann war es so weit. Jemand hatte die Tür nicht nur aufgeschlossen, er zog sie auch auf, und Purdy schaute in einen Gang, unter dessen Decke einige Lampen hingen, die ein schwaches Licht abgaben.
Es reichte aus, um die Gestalt zu erkennen, die sich der Tür genähert hatte.
Für einen Moment blieb die Staatsanwältin starr vor Grauen stehen, denn was sie sah, gehörte nicht auf diese Erde…
***
Wir hatten von London aus in Richtung Osten fahren müssen, was auf den normalen Straßen kein Problem war, denn hier lag keine geschlossene Schneedecke mehr.
Das war abseits der Hauptstraßen anders. Wir verließen den Ort Potters Bar in Richtung Osten und rollten auf Cuffley zu, denn dort hatte uns Purdys Anruf hingelockt.
Ich machte mir nicht wenig Sorgen um sie. Ich hatte versucht, sie telefonisch zu erreichen. Es war vergebens gewesen. Niemand meldete sich, und ich sah dies nicht eben als ein positives Zeichen an.
In London war der Himmel wolkenlos blau gewesen. Hier hatte er ein anderes Muster angenommen, denn weiße Wolkenstreifen zogen sich über ihn hinweg wie in die Länge gezogene Barte.
Schnee lag auf der Straße. An manchen Stellen war er festgefahren, an anderen wiederum durch die Sonne in Matsch verwandelt worden, aber es gab auch glatte Stellen, auf die wir achtgeben mussten, um nicht zu rutschen.
»Wir
Weitere Kostenlose Bücher