1608 - Ennox an Bord
selbst klarzumachen, daß sie absolut keinen Grund gehabt hatte, aus dem Schleusenhangar zu fliehen.
Warum hatte sie es dann getan?
Sie war so wütend auf sich selbst, daß sie laut schrie. Zurrt Glück hörten sie nur die Wände, und die gaben keine Antwort. Sie konnten sie auch nicht auslachen. Dennoch kam die Ennox sich vor, als würde sie von allen Seiten verlacht und verspottet.
Was ging da unten vor, in der Schleuse Nummer neun?
Es war ein unerträglicher Zustand, daß sie hier hockte, sich grün und blau ärgerte und nicht wußte, was da passierte. Sie mußte zurückspringen. Sie mußte sich dazu zwingen. Nichts konnte so schlimm sein, daß sie ihm nicht durch einen schnellen Sprung entkam.
Ihre Erregung steigerte sich noch weiter. Sie zitterte leicht. Ihre Hand berührte den flachen Kasten mit dem Schirmaggregat, wie um sich zu überzeugen, daß er noch vorhanden war.
Dies war lächerlich! Sie ließ sich von ein paar Halbwilden noch verrückt machen. Jetzt aber los, bevor sie etwas versäumte!
Ariane stand wieder vor dem hohen Behälter mit der deutlich erkennbaren Öffnung, die die ganze Vorderseite einnahm. Noch war sie geschlossen. Die Ennox atmete auf.
Nur daß die unheimlichen Töne inzwischen verklungen waren, nährte ihren schrecklichen Verdacht, schon zu spät gekommen zu sein. War das Experiment etwa bereits vorbei?
Immerhin war mit dem Dauerton auch ein großer Teil ihrer Nervosität verschwunden. Sie fühlte sich jetzt viel sicherer als vorhin.
Die Ennox streckte abermals die Hand nach dem Öffnungsmechanismus aus, und diesmal berührte sie ihn. Es war kinderleicht, die Funktionsweise zu erkennen. Ariane erwartete, daß die Vorderseite des Behälters aufschwang, und machte zur Vorsicht zwei Schritte zurück.
Um so überraschter war sie, als sich statt dessen der ganze große Kasten in nichts auflöste und nur der Inhalt plötzlich vor ihr stand.
Voltago!
Der Schock war so groß, daß Ariane nicht sofort sprang. Sie stand dem schwarzen, absolut haarlosen Wesen für Sekunden reglos gegenüber und starrte in die ausdruckslosen Augen eines Gesichts, das sich fast augenblicklich erschreckend zu verändern begann.
Es schien regelrecht zu zerfließen, eine samtene, schwarze Masse in anfangs zäher Bewegung.
Dann ging es schneller. Aus den verlaufenden Zügen bildeten sich neue, andere.
Ariane hielt den Atem an. Sie hätte jetzt fortspringen können. Eine Angst, die sie befiel, zwang sie fast dazu. Doch sie kämpfte. Sie wollte jetzt tapfer sein und wenigstens den Anfang von dem sehen, was da mit dem Wesen geschah, das sie als so unglaublich verdreht empfand.
Daß sie hier tatsächlich Zeuge eines Experiments war, bezweifelte sie inzwischen stark. Aber darüber nachzudenken, hatte sie keine Zeit. Fluchtbereit beobachtete sie Voltagos Gesicht, aus dem andere Gesichter wurden, immer schneller aufeinanderfolgend. Sie hatten kaum Zeit, sich zu entwickeln. Es ging bald so rasch, daß die Ennox zu blinzeln begann, um einzelne dieser vielen rotierenden Gesichter wenigstens blitzlichtartig zu erfassen.
Einige kamen ihr bekannt vor. Sie erinnerte sich an Gesichter, die sie schon einmal gesehen hatte. Aber wann und wo?
Der Schwarze rührte sich nicht. Sein Körper war wie aus Stein gehauen. Nur in seinem Gesicht war die Hölle los - und plötzlich wußte die Ennox, was das alles bedeutete.
Sie wußte es, als sie das erste Gesicht erkannte. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Diese Gesichter gehörten jedes zu einem anderen Volk, und zwar zu Völkern, die die Ennox im Laufe ihres bisherigen Lebens schon kennengelernt hatte.
Dieser Voltago reproduzierte sie nach ihren Erinnerungen!
Dies war eine ganz raffinierte Falle! Wenn es in Schleuse Nummer neun je ein Experiment hatte geben sollen, dann eines mit ihr! „Oh, wartet!" rief die Ennox entrüstet. „Glaubt ja nicht, daß ich mir das einfach gefallen lasse!
Ich weiß jetzt, daß ihr mich beobachtet und wahrscheinlich auch filmt! Habt ihr denn gar keinen Respekt vor der Intimsphäre anderer Leute, ihr Schmalspurgalaktiker? Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben!"
Sagte es und verschwand.
*
„Die wären wir jetzt wohl los", sagte Kunar Seljuk, der sich aus der Medostation zugeschaltet hatte. „Die ist fort und kommt nicht wieder."
„Dann kann sie auch keine alten Lüstlinge mehr verführen", lautete der verständnisvolle Kommentar seiner ertrusischen Gattin, die mitten in der Zentrale stand und völlig ungeniert an einer
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