1610 02 - Kinder des Hermes
verraten.« Nur mit Mühe gelang es mir, den Zynismus in meiner Stimme zu verbergen. »Aber wie auch immer …«, ahmte ich den Minister nach. »Wenn jemand sieht, dass ich beobachtet werde, ist Mademoiselle Dariole tot.«
Cecil kümmerte es offensichtlich nicht, dass Dariole als Frau in Männerkleidern herumlief. Auch schien sie ihm nicht wichtig genug, als dass er sich um ihr Leben gesorgt hätte. Etwas anderes erwartete ich aber auch nicht von ihm.
»Falls das geschieht … falls sie stirbt«, erklärte ich, »habe ich keinerlei Interesse mehr an dieser Verschwörung und werde somit auch nicht länger bereit sein, mich an ihr zu beteiligen.« Für den Augenblick schob ich die Frage beiseite, woher ich dann Informationen aus Paris bekommen sollte. In jedem Fall würde ich mich nicht vom Herrn Minister wie ein Sklave halten lassen. »Monsieur, für mich ist das Überleben von Mademoiselle Dariole eine Frage der Ehre.«
Cecil missfiel die einfache Anrede ›Monsieur‹. Auch war das Gesicht ein wahrhaft göttlicher Anblick, das Robert Cecil angesichts der Vorstellung zog, einen Verschwörer darum bitten zu müssen, weiter an einer Verschwörung zur Ermordung von König James mitzuwirken.
Er blickte zu mir hoch, scheinbar ohne sich bewusst zu sein, wie sehr ich ihn überragte. »Vielleicht hätte ich Monsieur Herault wirklich unter Bewachung nach Paris zurückschicken sollen, wie ich es mir zuerst überlegt habe. Tatsächlich könnte ich das immer noch tun.«
Ich habe das vollkommen falsch angefangen. Ich wollte ihn zwar reizen, aber nicht so weit, dass er sich in seiner Würde verletzt fühlt und dementsprechend reagiert.
Hinter mir meldete Saburo sich zum ersten Mal zu Wort.
»Sollte Dari-oru-sama getötet werden, werde ich das König-Kaiser James berichten. Und meinem Shogun.« Saburo blieb stehen und verschränkte die kräftigen Arme vor der Brust. »Ich bin ihr verpflichtet. Giri. Pflicht. Gleiches gilt für Roshfu-san. Ich werde König-Kaiser James in meiner Eigenschaft als Abgesandter Nihons um Hilfe für sie bitten.«
Cecil blinzelte und blieb ebenfalls stehen. Ich bemerkte, dass ich den Mund geöffnet hatte, und schloss ihn wieder. Master Saburos Selbstbeschreibung als unwissender Hauptmann der Fußtruppen war in mindestens einer Hinsicht falsch: Offenbar hatte er die diplomatischen Ränkespiele seines einstigen Herrn sehr genau verfolgt und daraus gelernt.
Wäre Dariole an meiner Seite gewesen, ich hätte lauthals aufgelacht; wohin sich Mylord Cecils Würde verflüchtigte, war mir egal.
»Also gut.« Cecil nickte. »Ich werde meine Männer nach Mistress Dariole suchen lassen. Sobald sie gefunden ist, werde ich Euch Bescheid geben. Mehr kann ich nicht für Euch tun. Master Rochefort, ich erwarte, dass Ihr mich ausführlich über alles informiert, was in Somerset vor sich geht.«
»Ich werde Euch Pläne der Höhlen schicken«, sagte ich. »Mylord … Ist es möglich, Euch zu bitten …?«
»Ich wünsche nicht, dass Earl Henry Percy gewarnt wird.« Cecil schaute mich mit dem Blick eines Mannes an, der anderen stets einen Schritt voraus ist. Das flackernde Kerzenlicht im Raum betonte seinen weißen Kragen, seine weißen Hände, sein weißes Gesicht und tauchte den Rest von ihm in samtene Dunkelheit. Er fuhr fort: »Ja, es ist durchaus möglich, dass man die junge Frau in sein Quartier im Tower gebracht hat. Ihr habt jedoch keine Entschuldigung, dorthin zu gehen, Master Rochefort. Solltet Ihr es dennoch tun, wird das Lord Northumberland nur alarmieren. Diese Verschwörung wird erst enden, wenn ich es will.«
»Mylord, Ihr müsst doch Agenten haben, die nicht von Fludd und Northumberland erkannt würden.«
»Dessen kann ich nicht sicher sein.« Cecil runzelte die Stirn. »Aber … Mir missfällt die Vorstellung in der Tat, dass man eine junge Frau entführt und sie dann in einer königlichen Feste versteckt … und das auch noch, um dadurch Seiner Majestät zu schaden. Sir William Waad, der Lord Lieutenant des Towers, schuldet mir noch einen Gefallen. Ich werde Sir William eine Suche durchführen lassen … jedenfalls so weit er das verdeckt bewerkstelligen kann.«
Ich verneigte mich und machte dabei eine weit ausholende, elegante Bewegung mit meinem Hut. Saburo verneigte sich ebenfalls, tief und würdevoll.
»Ich brauche noch immer eine Audienz«, bemerkte der Samurai mit kehliger Stimme, als er sich wieder aufrichtete. »Werde ich König-Kaiser James bald sehen, großer daimyo?«
Der englische
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