1610 02 - Kinder des Hermes
Außenminister blickte vor sich, wo sich zwei Gänge kreuzten. Ich vermutete, er wollte, dass wir den nahmen, der aus dem Palast hinaus führte. »Ich bedauere, aber ich fürchte, ›bald‹ wird das noch nicht der Fall sein. Seine Majestät ist nach Norden gereist, nach Newmarket, um sich dort die Pferderennen anzusehen. Aber das nutzt wiederum unserem Master Rochefort, nicht wahr? So wird er den Anschein erwecken können, das Maskenspiel zu proben und gleichzeitig Fludds Instruktionen zu folgen.«
Geh nach Wookey. Tu, was man dir sagt. Das kam von Cecil wie auch von Fludd. Deutlicher hätte es nicht sein können. Und ich muss es tun. Und Fludds Männer werden mich ständig im Auge behalten.
Abermals verneigte ich mich zum Zeichen, dass ich verstanden hatte, und blickte zu dem kleinen Mann hinunter.
Es hätte mich nicht wirklich überrascht – zumal Mademoiselle Darioles Abwesenheit mich in England und damit in dieser Verschwörung festhielt –, wenn Cecil ihren Aufenthaltsort in Wahrheit kannte, ihn nur für sich behielt. Doch an diesem Punkt konnte ich nichts dagegen tun.
»Ich werde Euch aus Somerset berichten«, sagte ich. »Mylord, eines noch: Falls es keine Neuigkeiten aus Frankreich gibt, dürfte ich Euer Gnaden dann bitten, eine Nachricht in die andere Richtung zu schicken? Eine Nachricht an Monseigneur de Sully?«
Cecils Gesichtsausdruck blieb so trübselig wie stets. »Ich sehe keinen Grund, warum ich Euch das verweigern sollte, Master Rochefort. Der englische Gesandte am Hof der Königin ist es gewohnt, derartige Dinge zu erledigen. Ich könnte ihn bitten, mit Monsieur de Rosny zu sprechen.«
Cecil von meinen Angelegenheiten zu erzählen, gefiel mir ganz und gar nicht; aber ich wusste nicht, wie ich meinem Herrn sonst eine verschlüsselte Botschaft hätte zukommen lassen sollen. Und er muss gewarnt werden.
Als ich mich zustimmend verneigte und mich anschickte zu gehen, stieß Saburo ein leises Grunzen aus und deutete auf sich selbst – nicht auf die Brust wie ein Europäer, sondern auf sein Gesicht. »Roshfu-san kann nach Wookey gehen. Ich werde hier warten. Ich werde den König-Kaiser sehen, wann immer er es wünscht, großer daimyo Seso. Und sollte ich etwas von Dari-oru-sama hören, Roshfu-san, dann werde ich es Euch sagen.«
Rochefort: Memoiren
Dreiundzwanzig
Zelte bedeckten das Gras von Somerset. Sie standen weit auseinander für den Fall, dass Feuer ausbrechen sollte.
Inzwischen zogen sich Trampelpfade zwischen ihnen hindurch.
Das Schwerste in meinem Beruf ist nicht, den Tod eines Partners hinzunehmen, sondern nicht zu wissen, ob er überhaupt tot ist oder nicht. Doch im Laufe der Zeit werden die Fragen seltener und häufen sich schließlich unbeantwortet irgendwo im Geiste an.
Ich trat kurz zur Seite in den Schlamm, als die Kutscher ihre Tiere mit den Wagen im Schlepptau den Hang zur Höhle von Wookey hinauftrieben. Der Pfad von der Papiermühle zum Höhleneingang war sechs Zoll hoch mit Stroh bedeckt. Das war auf meine Anweisung hin geschehen. So hoffte ich zu vermeiden, dass die Pferde ständig wegrutschten. Alle möglichen Ausrüstungsgegenstände wurden an mir vorbeigeschafft, sei es für Köche, Diener, Schauspieler oder wen auch immer.
Von meinem Standort aus konnte ich den Hang hinunter zu den Zelten blicken. Mir kam eine Erinnerung. Fast wie in den Niederlanden, dachte ich, oder genauer: wie an den ein, zwei Tagen, wenn es dort einmal nicht regnet. Das Ganze hatte in der Tat etwas von einem Feldlager, wirkte dauerhaft und provisorisch zugleich, nur dass hier keine Soldaten ihre Zelte aufgeschlagen hatten, sondern die Schauspieltruppe von Prinz Heinrich.
Drei Wochen. Genau drei Wochen und drei Tage. Die letzte Juniwoche ist angehrochen.
Ist das wirklich immer so? Immer weniger Fragen, während aus Wochen Monate und aus Monaten Jahre werden?
Cecils letzte Botschaft steckte in meinem Wams. Darin hieß es, dass die Erkundigungen des Lord Lieutenant – so weit er sie unauffällig hatte einziehen können – nichts ergeben hatten.
Noch nichts ergeben hatten, korrigierte ich mich selbst.
Von meinem erhöhten Standort aus zählte ich mindestens hundert Mann zwischen den Zelten. Ein paar von ihnen waren Schauspieler, Hundeführer, Requisiteure, Waffenschmiede und Fechtlehrer, doch bei den meisten handelte es sich um Diener. Auch sah ich ein paar Frauen, die viel zu gut gekleidet waren, als dass sie etwas anderes als Huren hätten sein können; sie warteten darauf, dass man
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