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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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begangen. Legt ihm den Strick um den Hals. Noch diese Stunde kann er im Namen des Gesetzes gehängt werden.«
    Auf Gabriel Santons Gesicht zeigte sich nichts außer boshafter Befriedigung. Ich fragte mich, wie die Zeit im Chatelet wohl gewesen war.
    Ich wagte es nicht, zu den Engländern zu blicken, die noch immer aus dem Palast herbeiströmten, aus Furcht, Mademoiselle de Montargis de la Roncière unter ihnen zu sehen: eine junge Adelstochter, die nicht gewusst hatte, dass sie in Begleitung eines verurteilten Mörders gereist war. Ich wartete auf Cecil und den König.
    James Stuart lenkte sein Pferd heran. Sein Gesicht war düster. »Ein ›Verbrecher‹ ist er also, ja? Nun, nach französischem Gesetz vielleicht, aber hier gilt das Gesetz Englands!«
    Die Jesuiten schickten sich an, im Chor zu protestieren.
    Cecil kam ihnen zuvor.
    »Was auch immer er sein mag, meine Herren – Mörder, Verbrecher, Gebrandmarkter –, es ist, wie Seine Majestät gesagt hat: Unser englisches Gesetz weiß sich in solchen Fällen durchaus zu behelfen. Sergeant! Verhaftet diesen Mann!«

Rochefort: Memoiren
Achtunddreißig
    Ich setzte mich ins Stroh auf den Boden des Verlieses im Tower und lachte lang und zynisch. Und als ich damit fertig war, lachte ich wieder; die Absurdität des Ganzen war einfach überwältigend. Schließlich wischte ich mir über den Mund.
    Alte Sünden holen einen immer wieder ein. Nun: Zwanzig Jahre waren auch wohl genug für jedermanns Sünde!
    »Die Königin«, sagte ich laut und verstummte sofort wieder.
    Ohne Zweifel hatte Maria di Medici ihre Finger im Spiel gehabt. Sie hatte einen entlassenen Diener gesucht, der enthüllen konnte, was ein Mann vor jedem zu verbergen vermochte – außer vor seinem Leibdiener. Wer sonst außer der Königin stand der Gesellschaft Jesu derart nahe? Zumal mit Vater Suffren als ihrem Beichtvater? Und wer außer ihr wollte Rochefort schnell tot sehen, ohne dass irgendwelche Fragen gestellt wurden? Nur hatte sie inzwischen offenbar subtilere Mittel gefunden, ihre Ziele zu erreichen; Meuchelmörder waren nicht mehr vonnöten.
    Ich bin aus dem Spiel.
    Niemand kam als Reaktion auf mein Rufen.
    Meine Zelle musste oberirdisch liegen. Die Wände waren nicht feucht, wie es in einem Keller der Fall gewesen wäre. Durch ein mit armdicken Gitterstäben versperrtes Fenster hoch oben fiel Licht herein. Gitterstäbe versperrten auch die Luke in der Tür, und dahinter flackerte Licht in einer Nische des Treppenhauses.
    Manchmal kann ein Mann nur darüber staunen, wie schnell er stürzt. Ich hatte genug Verstand, die Wärter nicht zu bestechen – beziehungsweise, es zu versuchen –, zumal ich die kleine, unausgesprochene Hoffnung hegte, dass ich bessere Hilfe als das bekommen würde – dass mir nach Sonnenuntergang eine anonyme Hand vielleicht den Zellenschlüssel hineinschob. Und da nicht weit vom Tower Schiffe an St Katherine's Stair ankerten …
    Vielleicht, dachte ich. Wenn sie mich nicht irgendwann im Laufe des Tages zum Verhör abholen.
    Ich glaube nämlich nicht, dass ich über die Standhaftigkeit von Monsieur Ravaillac verfüge.
    Dieser stille Mann, von dem ich geglaubt hatte, dass er schon in der ersten Minute unter der Folter zusammenbrechen würde, um sich so schier unendlichen Schmerz zu ersparen.
    Man konnte es als gerecht wie auch als ironisch bezeichnen, wenn man mich der Folter überantworten würde, dachte ich. Und sollte das geschehen, würde ich im Gegensatz zu Ravaillac rasch meine Mannhaftigkeit verlieren.
    Die zynische Stimme in meinem Hinterkopf, die eigentlich stets vorhanden war, sprach im Tonfall von Mademoiselle Dariole. Ich sah sie förmlich vor mir, wie sie sagte: Ihr wärt nicht halb so gelassen, wenn Ihr wirklich glauben würdet, dass es geschieht.
    Der englische Wärter, der meine Zellentür verriegelt hatte, hatte mich durch die Gitter hindurch gefragt: »Weißt du, wie wir deinesgleichen hier töten?«
    Er war ein breitschultriger, vernarbter Mann, ungefähr so alt wie ich, und er lächelte mit der Rachsucht eines Mannes, der sich als Wächter der Moral betrachtete.
    »An einen Balken gebunden werden wir dich durch die Straßen schleifen, damit das Volk sich deiner annehmen kann. Dem Mob gefällt sowas. Was dann übrig ist, legen wir auf einen Tisch, um ihm die Gedärme und das Herz herauszureißen. Oh … Dazwischen wirst du auch noch aufgehangen, aber sofort wieder abgeschnitten, sodass du nur ein wenig würgen musst. Du wirst hellwach sein, wenn man dir

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