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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Gesicht deutete daraufhin, dass dem wirklich so war.
    Nun, da ich ihn zum ersten Mal aus der Nähe sah, fiel mir auf, wie wenig Heinrich Stuarts Gesicht dem seines Vaters ähnelte. Er war gutaussehend, besaß eine ungewöhnlich weiße Haut, und sein Haar war dunkelrot. Außerdem war er ausgesprochen gut gebaut für einen Sechzehnjährigen, und ich sah sofort, warum er bei den Untertanen seines Vaters so populär war.
    »Mein Prinz«, sagte ich und warf einen Blick zu Hariot, als dieser ins Zelt schlüpfte. »Könnte es sein, dass Doktor Fludd Euch nicht vollständig darüber in Kenntnis gesetzt hat, was hier geschehen soll? Was hier geplant ist, ist keine Entführung oder dergleichen …«
    Heinrich Stuart unterbrach mich mit der Leichtigkeit eines jungen Mannes, der überhaupt nicht auf den Gedanken kommt, dass man so etwas als ›rüde‹ oder ›unmanierlich‹ betrachten könnte. Gleichzeitig war seine Direktheit geradezu charmant, wären da nicht seine Worte gewesen …
    »Mein Vater soll beseitigt werden«, sagte er und blickte mir dabei in die Augen. »Beseitigt, getötet, ermordet, umgebracht … wie auch immer Ihr es bezeichnen wollt, Monsieur Rochefort. Sind alle Teilnehmer des Maskenspiels auf ihre Rolle vorbereitet?«
    Auch wenn er in freundlichem Tonfall sprach, war offensichtlich, dass er nur ein Ja akzeptieren würde.
    »Der Konstrukteur der Schatten ist gelernt; nur hier und da hapert es vielleicht noch an ein paar Zeilen. Madame Lanier hat mir gesagt, dass Die Viper und ihre Brut in London wie geplant läuft. Allerdings besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass man die Theater wegen der Pest schließen wird.«
    Ich verschränkte die Hände hinter dem Rücken und starrte Prinz Heinrich an. Solch harte, junge Männer sieht man nicht oft. Der letzte dieser Art, an den ich mich erinnerte, war der jüngste der Valois-Brüder, der Herzog von Anjou. Auch er konnte charmant sein – und gleichzeitig morden. Daher bezieht Darioles Master Webster wohl seine wilden Ideen über die italienischen Höfe, dachte ich. In England gab es offenbar genauso viele Vipern wie in Frankreich.
    Respektvoll fügte ich hinzu: »Die Maschinerie für das Maskenspiel bedarf allerdings noch einiger Reparaturen. Wir werden sie in ein paar Tagen fertig gestellt haben.«
    »Ich wünsche, mit meinen Proben zu beginnen.« Der junge Mann nahm ein Glas Wein von Hariot entgegen. »Wenn es so weit ist, werde ich meine Rolle perfekt spielen.«
    Irgendetwas an dem Jungen jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Ich lenkte das Gespräch auf das Wesentliche.
    »Wissen wir, wann Seine Majestät hier eintreffen wird, mein Prinz?«
    Heinrich Stuart nickte ernst. Kurz sah ich vor meinem geistigen Auge das angenehme Bild des jungen Prinzen in Ketten vor Hauptmann Spofforth. Heinrich mochte ja genug Höflinge bei sich haben, um eine Galeone zum Sinken zu bringen, doch Höflinge sind keine Soldaten, und das machte den entscheidenden Unterschied.
    »Mein Vater wird bald hier sein«, sagte Prinz Heinrich, »in einer, vielleicht zwei Wochen. Ich habe ihm erzählt, dass man in den Mendip Hills hervorragend Hirsche jagen kann. Vor der zweiten Juliwoche habe ich ihn mit Sicherheit hier.«
    »Und Doktor Fludd?« Ich begegnete seinem Blick mit unterwürfiger Sorge, jedenfalls so gut es mir möglich war. »Wäre es nicht am Besten, wenn Ihr ihn hierher rufen windet, Sire, für den Fall, dass Ihr seines mathematischen Rats bedürft?«
    »Doktor Fludd ist kein Mann der Tat.« Prinz Heinrich straffte die Schultern, als er das sagte, und ich vermutete, dass die Rüstung im Zelt nicht ausschließlich Schauzwecken diente. »Außerdem ist das mein Königreich, Rochefort, und ich bedarf niemandes Hilfe, wenn es darum geht, mir zu holen, was mir gehört.«
    »Und was ist, wenn Euer Vater, der König, nicht kommt? Dann wird Doktor Fludd den nächsten …« Ich bemühte mich, einen ernsten Gesichtsausdruck zu bewahren, »… den nächsten günstigen Tag berechnen müssen.«
    »Darüber werde ich mir schon meine eigenen Gedanken machen.«
    Die Kälte in der Stimme des Prinzen hatte nichts, aber auch gar nichts Jungenhaftes mehr an sich. Abermals lief mir ein Schauder über den Rücken.
    »Schickt einen der Schauspieler zu mir«, fügte er hinzu und wandte sich von mir ab, »damit ich mit dem Lernen beginnen kann.«
    Da ich nichts mehr tun konnte, verneigte ich mich und ging.
    Vor dem Zelt schaute ich mich um. Mademoiselle Dariole blickte zu mir hinüber. Sie saß

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