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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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neben dem Schmied, der gerade einen der Hengste des Prinzen beschlug. Ich schüttelte den Kopf.
    Sie schwieg. Dann ging sie zu den jüngeren Schauspielern, um mit ihnen zu würfeln, doch ich vermutete, dass sich ihre Gedanken genauso überschlugen wie meine.
    Als hätte sich selbst der Kalender mit dem Stuartprinzen verschworen, traf König James am 14. in Somerset ein. Da Könige größer als Prinzen sind, wartet man auch entsprechend länger, wenn man sie sehen will. James Stuart kam am Morgen an, und ich sah ihn nicht vor Mittag. Ich wartete so lange, dass mein Hemd in der Julisonne durchschwitzte.
    »Monsieur de Rochefort?«
    Bei dem ungewöhnlichen Partikel ›de‹ hob ich den Kopf. Ein Gentlemandiener verneigte sich vor mir. »Der König wird Euch nun empfangen.«
    Als ich den königlichen Pavillon betrat, wo Teppiche das Bodenstroh bedeckten, verneigte ich mich vor James Stuart. Saburos ›kabuto‹-Helm, der in all seiner Pracht vor dem Thron lag, deutete daraufhin, dass der nihonesische Gesandte vor mir empfangen worden war, was ich keineswegs irgendwem verübelte. Ned Alleyne und seine Schauspieler waren bereits anwesend. Der fette, hellhäutige und rotbärtige Engländer wirkte wie in Panik, doch ich konnte ihn nicht befragen, da ich sofort nach vorn geführt wurde, um dem Monarchen die Hand zu küssen.
    Ich verneigte mich mit so viel Eleganz und Schwung, wie – so vermutete ich – der König es von einem Franzosen erwartete. »Euer Majestät.«
    König James, der erste seines Namens von England und der sechste von Schottland, saß auf einem reich geschnitzten Stuhl. Er sah missgelaunt aus. »Monsieur de Rochefort.«
    Auch er benutzte das unverdiente ›de‹, doch ich hielt es nicht für angeraten, ihn zu korrigieren.
    Der König verschwendete nur wenig Zeit mit beiläufigem Geplauder. »Wie es scheint, ist das Maskenspiel vorüber, noch bevor es begonnen hat, hm?«
    Ich warf einen raschen Blick zu Alleyne und zählte die restlichen Schauspieler durch. Acht. Acht, und es hätten neun sein sollen. Wenn wir jemanden vermissten, wer … Ah.
    »Master Alleyne wird Euch das Problem erklären«, grunzte James. Er hatte offensichtlich gut zu Mittag gegessen; selbst auf die Entfernung roch ich den Wein in seinem Atem.
    Alleyne warf theatralisch die Hände in die Höhe. »Wir haben unseren Clio verloren!«
    Die Muse der Geschichte war die Hauptrolle im Maskenspiel (abgesehen von James als ›Brutus, König von Troja‹ natürlich), und hatte dementsprechend viele Zeilen – unendlich viele sogar. Jedenfalls war mir das im letzten Monat so erschienen, als ich mit ihm geprobt hatte. Das Maskenspiel kann unmöglich ohne jemanden in dieser Rolle funktionieren.
    »Haben wir Clio wirklich ›verloren‹«, fragte ich nach, »oder haben wir ihn schlicht ›verlegt‹? Euer Majestät, Clio ist ein Jüngling in jenem Alter, da sie gewöhnlich den Wein und die Frauen für sich entdecken …«
    »In diesem Fall hat es wohl eher mit dem Wein denn mit einem Weib zu tun«, unterbrach mich der Herrscher von England und Schottland. »Master Alleyne hier hat mir berichtet, dass der gute Junge sich nach seiner Mahlzeit kontinuierlich übergeben hat und überdies an einem schlimmen Ausfluss leidet.«
    Das Wort Gift blieb unausgesprochen, doch ich hätte einen Louisdor darauf verwettet, dass James genau daran dachte. Könige denken stets zuerst an Gift.
    »Ich vermag mir nicht vorzustellen, dass irgendjemand hier Euer Majestät die Unterhaltung missgönnen würde«, erwiderte ich ruhig.
    Selbst jene, die nicht hier waren – Fludd, Cecil, Northumberland, Lanier –, alle wünschten sie sich nichts sehnlicher als die Aufführung des Konstrukteurs der Schatten!
    »Es ist nicht ungewöhnlich, dass jemand etwas isst, das ihn krank macht«, fügte ich hinzu. »Die Frage ist: Wird er sich heute Abend wieder wohl genug fühlen, dass er die Rolle spielen kann? Wenn es hier nur um ein, zwei Stunden geht …«
    »Das wird er nicht.« Alleyne schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht in der geplanten Zeit. Der Arzt des Prinzen hat ihn untersucht. Es ist unmöglich!«
    Gütiger Gott im Himmel!, dachte ich und bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. Sollte Fludds großer, universeller Plan tatsächlich an etwas so Belanglosem und Zufälligem wie einem unvorhergesehenen Fall von Bauchschmerzen scheitern?
    James stützte sich mit dem Ellbogen auf die Stuhllehne und verzog mürrisch das Gesicht. »Master Alleyne, dann müsst Ihr eben einem

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