1610 02 - Kinder des Hermes
erledigen.« Sie klang sorglos, doch die Art, wie sie mich anschaute, war alles andere als das. »Warum seid Ihr nur so begierig darauf, mich von der Gefahr fernzuhalten, Messire? Habt Ihr wieder Schuldgefühle?«
Ich war selbst überrascht, als ich mich erwidern hörte: »Ihr habt es einzig und allein Eurer Dummheit zu verdanken, dass Ihr da hineingeraten seid!«
Ich atmete tief durch.
»Eurer Dummheit und dem Verlangen, mir ›den Arsch auf einem Silbertablett zu servieren‹, wie die Engländer zu sagen pflegen. Wärt Ihr nicht so begierig darauf gewesen, mich zu demütigen, wärt Ihr jetzt nicht in diesem Land und …«
»Ihr habt damit angefangen!« Dariole hob die Augenbrauen. »Der Streit. Ihr habt damit angefangen. Ansonsten hätte ich Euch an jenem Morgen überhaupt nicht gesucht.«
Vor Wut verschlug es mir die Sprache.
»Mademoiselle«, brachte ich schließlich mühsam hervor, »wart Ihr es nicht, die zu dem Schluss gekommen ist, dass der große Duellant Monsieur Rochefort es verdiene, von einem weit jüngeren … Mann geschlagen zu werden?«
»Falls Ihr damit meint, dass ich einen hochaufragenden Kerl gesehen habe, der es durchaus hat vertragen können, mal ein, zwei Zoll gestutzt zu werden …«
»Es ist nicht meine Schuld, dass Ihr in England seid«, betonte ich. Es ist schwer für einen Mann, drohend auszusehen, wenn er ein Kleid trägt. Also schaute ich Dariole einfach weiter in die Augen.
Nach ein paar Augenblicken wandte sie den Blick von mir ab.
»Das ist die Wahrheit«, betonte ich noch einmal. »Das zumindest ist Eure eigene Schuld. Aber … aber der Grund, warum Ihr Robert Fludd töten wollt, dafür bin ich verantwortlich.«
Dariole streckte die Hand aus und strich über die schwarze Seide meines Reifrocks. Ihre Finger waren nackt; den Handschuh hielt sie in der anderen Hand. Sie befühlte den Stoff wie ein Kaufmann – und so als hätte sie nie zuvor Frauenkleider gesehen oder auch nur an sie gedacht. Es war, als würde sie zum ersten Mal über Röcke, Mieder und Korsetts nachdenken …
Sie blickte zu mir hinauf.
»Darin wird Euch das Kämpfen nicht gerade leicht fallen, Messire.«
»Nein. Das könnte wohl keine Frau.« Die letzte Bemerkung war eigentlich dazu gedacht gewesen, sie ein wenig zu entspannen, doch sofort wünschte ich mir, ich hätte es nicht gesagt. Das, was ihr widerfahren war, war geschehen, als sie Kleider getragen hatte, die man leicht für die einer Frau hatte halten können.
Ihre Augen funkelten. Sie griff zwischen die Rockfalten, und ich machte keinerlei Anstalten, sie davon abzuhalten. Sie packte den Dolch, und die Waffe glitt in ihre Hand, als wäre sie lebendig. Ich reagierte nicht. Sie legte die Spitze zwischen das hochgedrückte Fleisch über meinem Mieder.
Ich hatte nie ein Dekolleté besessen, und ich weiß nicht, ob Frauen in diesem Bereich besonders temperaturempfindlich sind. Ich jedenfalls musste mich beherrschen, nicht aufzustöhnen.
Mit dieser Erkenntnis kam eine vertraute Hitze, und ich trat unwillkürlich von einem Fuß auf den anderen. Wenn mein Schwanz sich in all den Weiberklamotten regt, wird das unerträglich peinlich!
Nun, da sie unmittelbar neben mir stand, war Mademoiselle Dariole keineswegs so klein, wie sie in der Spiegelung gewirkt hatte. Sie reichte mir knapp bis zum Schlüsselbein, sodass sich ihre Augen exakt in Höhe meines Mieders befanden.
Unvermittelt warf sie den Kopf zurück, blickte nach oben und ertappte mich dabei, wie ich sie verwirrt anstarrte.
»Das ist … kalt«, sagte ich lahm.
»Messire.« Wehmut, Schalk und Zuneigung schwingen in gleichem Maße in ihrer Stimme mit. Letzteres schmerzte mich sowohl im Herzen als auch im Schritt.
Sie drückte die flache Seite der Klinge auf mein Fleisch, unmittelbar über dem mit Perlen bestickten Mieder. »Würde es Euch gefallen, wenn ich Euch auf die Knie zwingen würde? Ich könnte Euch betteln lassen, ein wenig zumindest. Und ich bezweifele, dass man es durch all die Röcke sehen würde, wenn Ihr spritzt.«
Ich prustete wenig elegant.
Darioles Blick war warm, als ich ihr in die Augen schaute.
Hätte das Korsett es zugelassen, ich wäre in mich zusammengesackt.
»Um Euch die Wahrheit zu sagen, Mademoiselle … Mir würde nichts mehr gefallen.« Der Klang meiner eigenen Stimme in der Höhle, lauter als der Lärm der Menschen in der Festkammer, ließ mir den kalten Schweiß über den Rücken laufen.
Ich blickte Dariole weiter unverwandt in die Augen. »Ich wage zu
Weitere Kostenlose Bücher