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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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heilen. Ich bin in solchen Dingen genauso erfahren wie ein Arzt und weiß genau, wie lange es dauert, bevor man einem verletzten Glied wieder trauen kann. Ich heilte nicht mehr so schnell wie früher, aber ich heilte, und alles andere war egal … jedenfalls, was mein Fleisch betraf.
    Der Schneider band erneut meine Manschetten zusammen und zog an den Brustbändern, sodass der Stoff geradeso meine Nippel bedeckte. Dann zog er im Nacken mein langes, gelocktes Haar heraus.
    »Und? Wie ist das, Master Alleyne?«
    Der Theaterdirektor griff sich ein Büschel und wog es in der Hand. »Wir werden es kurz schneiden, damit die Clio-Perücke besser sitzt.«
    Ich schloss die Hand um sein Handgelenk.
    Theoretisch hätte ich es brechen können wie einen Zweig, doch das war Alleyne, den wir in vierzig Minuten für das Maskenspiel brauchten … Praktisch gesehen konnte ich ihn also nur festhalten und ihm einen Blick zuwerfen, der deutlich meine Weigerung zum Ausdruck brachte.
    Alleyne riss die Augen auf. Rasch sagte er: »Oder wir können es hochbinden und mit ein paar Nadeln feststecken! Ja … ja … Das und die Edelsteine, die wir für Sophonisba benutzt haben … Das wird richtig gut aussehen. Sehr gut sogar!«
    Der Schneider, der inzwischen wieder an seinen Tisch zurückgekehrt war, hörte auf zu nähen. Ich blickte ihn an und sah gleichzeitig aus dem Augenwinkel heraus Alleynes kreideweißes Gesicht. Ihnen ist vermutlich nicht klar, dachte ich, dass ich nie jemandem nur aus Eitelkeit die Hand brechen würde.
    Ich ließ Alleyne wieder los und nickte knapp. Ich brachte es einfach nicht über mich, ihm mit Worten meine Zustimmung zu seiner Idee mit dem Hochbinden kundzutun. Glücklicherweise war das auch nicht nötig.
    Alleyne probte weiter mit mir, und ich antwortete instinktiv auf seine Stichworte. Eine Bewegung ließ mich eine Zeile überspringen; ich begann wieder von vorn. Dariole durchquerte die Höhle, ging zu dem Tümpel mit den Stalagtiten und langsam wieder zurück. Schließlich setzte sie sich auf einen Felsen, schob einen Fuß unter ihren Hintern, lehnte sich zurück und stützte sich dabei mit den Händen ab.
    Ich erlaubte mir, ihr in die Augen zu sehen. Dass sie mich beobachtete, machte mich noch nervöser, als ich ohnehin schon war. Ich kam mir einfach nur lächerlich vor.
    Andererseits bildete ich mir ein, dass die Bühne keinerlei Schrecken mehr für mich bereithalten würde, wenn ich es jetzt schaffte, Dariole zu ertragen.
    Sicher, ich würde als Leibwächter auf der Bühne stehen, aber ich würde auch den Text der Muse sprechen müssen. Auf der Bühne … in einer Rolle, die ich nicht wirklich kannte, und mit einem Text, den ich nicht wirklich geprobt hatte …
    Verfluchtes Weib!, dachte ich, als ich ihr in die Augen sah.
    In den vierzig Jahren meines Lebens hatte ich schon so manches getan, was einem Gentleman nicht anstand. Nun überlegte ich, ob auch irgendetwas dabei war, was sich mit dem hier hätte vergleichen lassen: in Frauenunterwäsche gekleidet vor Mademoiselle Dariole …
    Dariole hob den Kopf und sagte ohne das geringste Zittern in der Stimme: »Diese Muse der Geschichtsschreibung … Ist sie als Frau sehr groß?«
    Alleyne funkelte sie an. »Ich werde Euch nicht noch einmal warnen!«
    Dariole hob die Hände zum Zeichen der Kapitulation. »Schon gut, Monsieur Alleyne.«
    Dieser reumütige Blick konnte niemanden täuschen – und ganz gewiss keinen Schauspieler!
    Ich wollte gerade kontern, als der Schneider mit einem weiteren Kleidungsstück zurückkehrte und begann, meine Arme durch die Träger zu schieben. Erst als das Teil an meinen Armen baumelte und er hinter mich ging, um es an meinem Leib zu befestigen, erkannte ich, dass es ein Korsett war.
    Der Schneider zog die Träger über meine Schulter und schob die Schnüre durch die Löcher, mit denen er das Korsett straff ziehen würde.
    Angesichts dieser Demütigung war ich gegenüber allem, was da noch kommen mochte, so gut wie immun. Ich wagte es nicht länger, Mademoiselle Dariole in die Augen zu blicken. Der Schneider schnürte das Korsett zu, trat dann wieder vor mich und zog das Kleid darunter zurecht, sodass nur noch ein kleines, gekräuseltes Stück davon aus dem Korsett ragte, um mein ›Dekolleté‹ zu betonen.
    Frauen tragen ihre Korsetts stramm, um ihren Busen im Zaum zu halten, und bis jetzt hatte ich gedacht, dass ich nur mit ihnen in Kontakt kommen würde, wenn es galt, sie von einer willigen Partnerin zu entfernen.
    Ich hörte ein

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