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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Rutschen, und irgendetwas fiel auf den Teppich. Instinktiv blickte ich in Richtung des Geräuschs. Das Mannweib saß auf dem Höhlenboden, die Arme eng um die Rippen geschlungen, das Gesicht knallrot. Es erleichterte mich nur wenig, dass sie wenigstens nicht sprechen konnte.
    Den Blick stur auf die Kalksteinwände gerichtet, stand ich einfach nur da, während der Schneider und Alleyne mir mehrere Unterröcke und schließlich einen ausladenden Reifrock anlegten. Dazu kamen dann noch Hemd, Mieder und alles andere, was zum Kostüm der Muse der Geschichtsschreibung gehörte.
    »Ihr solltet Euch setzen, während Matthew sich um Euer Haar kümmert.« Alleyne stellte einen Hocker neben mich.
    Demütig und angesichts des Korsetts mit einigen Problemen setzte ich mich hin. Scheinbar unendlich lange schwarze Seidenfäden hingen von meiner Hüfte herab. Mein einziger Trost war, dass ich mich selbst nicht sehen konnte.
    Nachdem man mein natürliches Haar hochgebunden hatte, bekam ich ein goldenes Haarnetz darüber, Ohrringe und eine mit Draht verstärkte Schleife aus goldener Spitze. Es fühlte sich seltsam, ja erschreckend an, mein Haar so über meinen Schläfen aufgetürmt zu bekommen. Der feine Stoff des Haarnetzes, das sittsam mein Haupt bedeckte, wurde dann noch mit Goldperlen verziert, die aus der Nähe betrachtet zwar grob aussahen, auf Entfernung aber sicherlich ihre Wirkung zeigten. Derart zurechtgemacht, war ich bestimmt noch einmal einen ganzen Kopf größer.
    Mir war sehr wohl bewusst, was für einen lächerlichen Anblick ich bieten musste. Dennoch gestattete ich Matthew, mich zu rasieren, und dem Garderobier, den Saum meines Reifrocks zu drapieren. Die Stiefel ragten nicht unter dem Reifrock hervor – da es innerhalb von fünfzig Meilen keine Frau gab, die auch nur annähernd über meine Schuhgröße verfügte, hatte man mir gestattet, sie anzubehalten.
    Eine hysterische Stimme rief, »Ned!«, aus einer anderen Höhlenkammer. Nicht mehr lange, und es ist so weit, dachte ich. Alleyne rannte hinaus, steckte dann noch einmal den Kopf herein und brüllte dem Schneider und dessen Lehrling etwas zu, woraufhin diese dem Direktor hinterher eilten. In der Stille, die darauf folgte, fühlte ich meine Anspannung und wartete darauf, Mademoiselle Darioles Stimme zu hören.
    »Kommt her.« Ihre Stimme kam von einem Stück tiefer in der Kammer her. Mühsam drehte ich mich um und trat mir beim Gehen immer wieder auf die Röcke. Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg, und ich wusste, dass die junge Frau sich einen Kommentar nicht würde verkneifen können.
    Sie stand mit dem Rücken zu mir und blickte in den Tümpel. Wasser tropfte von einem Stalagtiten und versetzte die ansonsten glatte Oberfläche in Bewegung. Ich trat an den Rand des Tümpels und schaute ebenfalls nach unten.
    Gelbes Licht leuchtete neben mir auf. Dariole hatte eine Kerze gehoben. Sie will, dass ich mich sehe. Ich wagte es nicht, ihr in die Augen zu schauen.
    Die Schminke klebte förmlich auf meiner Haut. Ich erkannte kaum mein eigenes Gesicht. Weiße Haut, schwarze Augen und Farbe, die Wangen und Lippen zu etwas formte, das weder männlich noch weiblich war …
    Haec vir , dachte ich, und neben mir steht eine hic mulier …
    Das Geräusch der Stimmen aus der für das Bankett vorgesehenen Kammer erreichte uns durch die Gänge nur gedämpft. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber mir fiel nichts ein, was mich nicht genauso lächerlich hätte klingen lassen, wie ich aussah.
    Bewusst nahm ich eine geistige Haltung ein wie vor einem Duell oder einer Schlacht. So konnte Darioles Gegenwart mich nicht mehr derart durcheinander bringen. Ich erhaschte einen Blick auf die ›Laster‹ draußen im Gang, deren Kostüme gerade ein letztes Mal überprüft wurden. Hinter ihnen, das wusste ich, hatten König James und Prinz Heinrich sich gerade zum Mahl gesetzt. Nicht mehr lange und ich würde hinausgehen und das Leben eines Mannes in Gegenwart seines respektlosen, mörderischen Sohnes schützen müssen …
    Dabei könnte er meinetwegen den Thron ruhig haben, wäre da nicht Doktor Fludd …
    Dariole hob die Kerze noch ein Stück höher und sagte in zurückhaltendem Tonfall: »Ihr seht wahrlich hübsch aus, Messire.«
    Ich wollte sie anbrüllen, doch sie kam mir zuvor. »Ist es Euch gelungen, Eure Waffen zu behalten?«
    »Unter dem ganzen Zeug könnte man einen Tisch verstecken!«, machte ich meinem Frust ein wenig Luft. Ich griff in die schweren Seidenfalten

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