1610 02 - Kinder des Hermes
verbreiten lassen, Wir seien im Westen gestorben. Es ist Northumberland, an dem Wir Gerechtigkeit üben und den Wir für seinen Verrat verbrennen werden!«
Als die Menge daraufhin in lauten Jubel ausbrach, hörte ich Saburo mit der Zunge schnalzen. Ich folgte seinem Blick.
Dariole stand nicht länger an den geöffneten Theatertoren.
Würde sie nach Whitehall gehen? Sie hatte gesagt, sie würde es verstehen … aber sie hatte auch gesagt, dass ich mich geirrt hätte. Betrachtete sie das als ihre einzige Chance, Rache an Doktor Fludd zu üben, bevor wir ihn in die Finger bekamen?
Ich konnte die Bühne nicht verlassen, ohne James ungeschützt zurückzulassen. Schon jetzt drängten genug Leute an die Bühne heran und hämmerten mit den Fäusten gegen sie, und nur Saburos und meine Gegenwart hielten sie davon ab hinaufzuklettern.
Unter dem Vorwand, ein paar Blumen beiseite zu räumen, die von der Galerie hinuntergeworfen worden waren, ging ich zu Saburo und sagte leise: »Wisst Ihr, wohin sie gegangen ist?«
»Sie hat vorhin etwas von einem Haus bei der ›Kampfbrücke‹ gesagt.«
Kampfbrücke? Battlebridge , Tooley Street. Dort befand sich Fludds Haus in Southwark.
»Dort wird er doch bestimmt nicht sein!« Frustriert schüttelte ich den Kopf.
»Eure Ehre und ihre, sie …« Da es Monsieur Saburo an den geeigneten Worten mangelte, ballte er beide Fäuste und schlug sie gegeneinander.
James Stuart stapfte zu Saburo und legte dem Samurai die Hand auf die Schulter. Dann führte er den Nihonesen zum Rand der Bühne und stützte sich auf ihn. Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen und rief: »Wollt ihr das zulassen? Wollt ihr zulassen, dass ein bösartiger Hexer euer Land regiert? Der Prinz ist getäuscht worden. Sein Vater ist nicht tot. Hier stehen Wir. Sind Wir etwa nicht euer König?«
Ein ohrenbetäubendes Brüllen erhob sich.
Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück, bis ich mit dem Rücken an einem der bemalten Pfeiler stand. Der Lärm traf mich wie ein Schlag. Nur im Krieg hatte ich bisher Männerstimmen mit solcher Wucht gehört – und hier schrien auch noch Frauen mit.
Verschwommen sah ich, wie die Männer und Frauen von Southwark die Münder aufrissen, die Fäuste hoben und ihre Hüte in die Luft warfen.
James Stuart stand hocherhobenen Hauptes da, einen Arm ausgestreckt, und er lachte mit Tanaka Saburo und genoss den Sturm der Zuneigung, der über ihn hereinbrach.
»James! König Jamie! Unser herrlicher König Jamie!«
Rochefort: Memoiren
Vierunddreißig
So dringend es auch sein mochte, James wieder auf den Thron zu setzen, für mich war das nur sekundär. Es würde keinen Vertrag geben, keine Rettung für Messire de Sullys Karriere und Leben, wenn es keinen hermeneutischen Mathematiker gab, mit dem man handeln konnte …
Bei meinem Eintreffen hatte der Mob Robert Fludds Haus in Southwark bereits geplündert.
Die englischen Bürgermilizen sammelten sich auf den Straßen. Ich musste mir einen Weg durch Männer mit antiken Brustplatten aus mittelalterlichen Kriegen kämpfen, Männer in Kettenhemden, die in irgendeiner Rüstkammer die Jahrhunderte überdauert hatten, und ich sah mehr Piken als Musketen.
Das Gartentor in der Tooley Street war aufgebrochen worden, die Torflügel hingen schief an den Scharnieren. Die Sonnenuhr war umgestoßen. Aus jedem Fenster hingen Trümmer, und Bücher lagen zerrissen und zertrampelt auf der Straße.
Der Geruch der Kamillenblüten stieg mir in die Nase. Auch sie waren niedergetrampelt worden, zerstört von den Leuten von Southwark, die Freude an derartigen Verwüstungen fanden.
Auf wessen Befehl hin haben sie das getan? Allein sind sie bestimmt nicht auf die Idee gekommen.
Die Hälfte der Bücher war verschwunden – Seite für Seite herausgerissen und unter dem Mob verteilt.
Es war äußerst unwahrscheinlich, dass er hierher zurückkehren würde, und offenbar hatte er das auch nicht getan. Aber …
»Messire.«
Das war ihre Stimme.
Dariole kam aus dem zerstörten Erdgeschoss des Hauses. Ich spähte hinein, trat ein und hielt dabei vorsichtig nach zerbrochenen Bodenbrettern Ausschau. »Ist das Euer Werk?«
»Ich bin durch die Tavernen gezogen und hab den Leuten dort gesagt, hier könnten sie einen Diener des Earl of Northumberland finden. Und ich habe ihnen auch von Hariot, Hues und Warner erzählt. Allerdings weiß ich nicht, wo die wohnen«, fügte Dariole hinzu. »Sie wollten Beweise für schwarze Magie sehen.«
Ich hockte mich neben
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