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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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verlassen! Gütiger Gott, hätte ich nur schon längst Gelegenheit gehabt, dich umzubringen!
    Ich stapfte in den Stall zurück. Dariole hatte sich dort ein Strohbett bereitet. Er würde wohl mit seinen Waffen schlafen.
    Ich ging wieder auf den Hof und setzte mich erneut mit dem Rücken zur Wand und legte die Arme auf die Knie. Ich hatte mir eine Flasche Branntwein aus meiner Satteltasche geholt, und nun brannte der Alkohol in meiner Kehle. Das musste auch der Grund dafür sein, dass mein Gesicht sich so warm anfühlte.
    Ich schlief nicht.
    Zehn Mal stand ich auf und ging in den Stall, fest entschlossen, die Stute zu satteln und einfach aus der Stadt zu reiten. Und zehn Mal ging ich wieder hinaus. Die Stadttore sind jetzt geschlossen, und vor Sonnenaufgang wird man niemanden hindurchlassen, noch nicht einmal einen Mann, der beim Duc de Sully akkreditiert ist – nicht in Zeiten wie diesen.
    Abgesehen von den Pferden war der Stall leer. Von Dariole war keine Spur zu sehen. Inzwischen ein wenig steif von der Kälte der Nacht schlurfte ich erneut zum Fenster des Schankraums.
    Dariole lag in seinen halbtrockenen Mantel gewickelt auf der Bank am Feuer und unterhielt sich fröhlich mit den anderen Männern, die Decken und Laken ausbreiteten, um auf dem Tavernenboden zu schlafen. Der Wirt würde durch diese Krise nicht gerade ärmer werden. Dariole streckte die Füße in Richtung Feuer aus.
    Er ist dort, weil er weiß, dass ich ihn in einem Raum voller Menschen nicht töten kann.
    Ich wandte mich von dem schwach beleuchteten Raum ab, und meine Augen mussten sich erst wieder an die Dunkelheit draußen gewöhnen. Die Uhr schlug Mitternacht, als ich wieder in den Stall wankte und mich neben der Andalusierstute auf einen Strohballen fallen ließ. Ich zog den Dolch, drehte ihn in meiner Hand und starrte ihn an.
    Das Heft war schwarz ebenso wie Stichblatt und Knauf. Der Griff war mit Draht umwickelt. Wenn man einen Handschuh trug, rutschte einem ein solches Heft nicht aus der Hand. Und dann die breite, polierte Klinge, ein viertel Zoll dick und so lang wie der Unterarm eines Mannes; sie war so gut geschärft, dass sie silbern schimmerte. Das letzte Mal hatte ich sie an jenem Morgen mit dem Wetzstein bearbeitet, da ich meine Unterkunft verlassen hatte, um Heinrich IV. zu ermorden.
    Ich sollte es so einfach wie möglich erledigen, dachte ich bei mir, am Besten sobald er den Gasthof verließ. Den Dolch einfach zwischen die Rippen und direkt ins Herz. Damit wäre das Problem erledigt.
    Der Tod ist ein unbekümmert Ding. Ich habe Männer in Duellen einfach erschlagen, wenn ich mich dazu entschlossen hatte, sie nicht am Leben zu lassen. Maria di Medici wiederum hatte einfach beschlossen, mich zu töten und den Befehl zu geben: Rochefort weiß Dinge, die er nicht wissen sollte. Sorgt dafür, dass er nicht lange genug lebt, um sie irgendjemandem zu erzählen. Monsieur Dariole zu töten, wäre kein großes Dilemma für mich.
    Die Dunkelheit in dem von Spinnweben überwucherten Stall war bedrückend. Ich sprang auf und erschreckte damit die Stute. Sie scharrte mit dem Vorderhuf, drehte dann den kleinen Kopf auf dem geschwungenen Hals und knabberte an meinem Arm. Ich zog ein, zwei Büschel Heu aus der Futterkrippe und fütterte sie damit. Dann schlang ich den Mantel enger um die Schultern und ging auf den Hof hinaus.
    Die plötzlichen Schreie von Männern ließen mich augenblicklich das Schwert ziehen. Nein … Das ist draußen auf der Straße. Ich hörte das Klirren von Schwertern, Laufen, einen gebrüllten Befehl und dann ein Schluchzen gefolgt von Stimmen, die gut zehn Minuten lang Befehle erteilten. Die Stadtmiliz hatte eine Schlägerei beendet.
    Das Heft des Rapiers lag tröstend in meiner Hand. Ich machte ein paar Schwünge damit in der Dunkelheit des Hofes, hörte, wie die Klinge durch die kalte Nachtluft zischte, und steckte das Schwert dann wieder weg. Das Sternenlicht spiegelte sich schwach im Wassertrog. Ich ging hinüber, zog die Handschuhe aus und nahm zwei Hand voll eiskaltes Wasser, um sie mir ins Gesicht zu spritzen. Der Schock fuhr mir durch den ganzen Körper. Ich kann es nicht einfach wegwaschen.
    Die Stille wurde erneut durchbrochen. Es klang, als würde man ein Baby ausweiden.
    Schweiß rann mir über den Rücken, obwohl ich das Geräusch sofort identifizieren konnte. Körper und Geist sind bisweilen weit voneinander entfernt. Eine Füchsin, erkannte ich. Sie rief in die Mainacht hinaus, um sich zu paaren. Wenigstens

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