1611 - Jäger der Nacht
Kopf so weit, dass er nach vorn und in die Höhe schielen konnte.
Im ersten Moment war nichts zu erkennen. Die Dunkelheit verbarg viel, dann sah er doch eine Bewegung, und er glaubte, dass es ein Mensch war, der zur Seite glitt.
Sekunden danach, als er wieder nur über den Grund des Friedhofes schaute, vernahm er einen Ton, der seiner Meinung nach aus einem Tierlaut und einer menschlichen Stimme bestand. Ein für ihn fremder Ton. Nicht aber für die Katzen, denn sie bewegten sich auf seinem Rücken. Er spürte ihr Trampeln, seine Haut wurde an verschiedenen Stellen eingedrückt, bevor die ersten Tiere seinen Körper verließen und zu Boden sprangen, wo sie zunächst auch blieben.
Stephan atmete noch nicht auf. Denn er glaubte nicht daran, der Gefahr entkommen zu sein, aber es war zumindest ein Anfang. Und darüber war er froh. In seiner Lage musste man mit den kleinsten Dingen zufrieden sein.
In den folgenden Sekunden passierte nichts. Stephan Kowalski kam zu dem Schluss, dass man ihm die Initiative überlassen hatte, und das nutzte er auch aus.
Nur kein hektisches Aufstehen. Vorsichtig wieder auf die Beine kommen.
Keinen Verdacht erregen, denn er ging davon aus, dass die Katzen nicht aus eigenem Antrieb handelten. Sie mussten unter dem Befehl einer anderen Person stehen.
Er stemmte sich in die Höhe, und schon jetzt bewegte er dabei den Kopf.
Sein Blick fiel nach rechts und wandte sich auch der linken Seite zu. Er suchte nach seinen Gegnern, sah sie auch, aber es waren nur die Katzen, die einen Ring um ihn geschlossen hatten und ihn dabei aus ihren kalten Augen beobachteten. Sie waren ja nicht gleich. Die Augen funkelten in den verschiedensten Farben. Grün, blau, auch mal türkis oder sogar in einem kalten Gelb.
Er hatte die Tiere nicht gezählt, doch er wusste, dass kein Entkommen möglich war.
Zum Glück ließen ihn die Tiere in Ruhe, und so konnte er sich normal aufrichten und hinstellen. Er hatte sich nicht ausgerechnet, wohin er schauen wollte, und so bezeichnete er es als einen Zufall, dass ihm genau die Person ins Blickfeld geriet, deren Ankunft er vorhin gehört hatte.
Sie war da, und sie hatte sich einen besonderen Platz ausgesucht, denn sie hockte geduckt auf einem der höheren Grabsteine, die eine breite Kante hatten.
Stephans Augen weiteten sich. Auch sein Mund öffnete sich. Er kam aus dem Staunen nicht heraus. Es war kein normales Staunen, gleichzeitig spürte er die Kälte in seinem Innern und auch eine, die sich auf seinem Rücken ausbreitete.
Was dort auf dem Grabstein hockte, war kein Mensch. Es war auch kein Tier, sondern eine Mischung aus beidem…
***
Mensch und Katze!
Obwohl das so gut wie unmöglich war, musste er sich damit abfinden.
Seine eigene Lage vergaß er, denn er hatte nur Augen für das Geschöpf auf dem Grabstein.
Er hätte sich nicht vorstellen können, dass solch eine Mutation überhaupt existieren konnte. Aber dieses Geschöpf war keine Sinnestäuschung. Es war tatsächlich vorhanden, und er wusste nicht, ob es mehr Mensch oder Tier war.
Der Kopf erinnerte an eine Katze. Da standen sogar die Ohren hoch, die aus den Schläfen in die Höhe wuchsen. Das Gesicht zeigte eine herzförmige, allerdings auch menschliche Form, und es wuchsen Haare auf dem Kopf, die so lang waren, dass sie zu einem Pferdeschwanz gebunden werden mussten.
Der Körper war nackt bis auf ein Stück Stoff am Unterleib. Das gelbe Funkeln in den Augen stand im direkten Gegensatz zu der violetten Farbe der Haut, das war sogar in der Dunkelheit zu erkennen.
Und es gab noch etwas, das Stephan irritierte. Diese Person hatte einen recht langen Schwanz.
Es fiel dem Mönch schwer, seine Gefühle unter Kontrolle zu behalten, als er trotz der äußerliche Veränderung sah, dass eine große Ähnlichkeit mit der jungen Frau bestand, die er als Mara kennengelernt hatte.
Sie und die Katze!
Beide waren eine Symbiose eingegangen. Er sah sich einer Mutation gegenüber, wie sie eigentlich nicht vorkommen durfte, und doch war das, was er sah, keine Täuschung.
Wie viele Katzen um ihn herumstanden und ihn belauerten, sah er nicht.
Er wusste nur, dass sie ihn nicht entkommen lassen und dass sie ihrer Anführerin aufs Wort gehorchen würden.
Noch war nichts geschehen. Auch die Katzenfrau hatte sich nicht eingemischt. Sie wartete darauf, dass sich der Mann mit der Lage abfand, und als sie ihm lange genug Zeit gelassen hatten, reagierte sie.
Träge öffnete sie ihren Mund. Ob es menschliche Zähne waren oder
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