1611 - Jäger der Nacht
nichts. Erwartete ab und hob die Schultern, als sie sagte: »Ich kann es dir nicht verbieten. Du musst allerdings wissen, was du tust.«
Mehr sagte sie nicht. Sie drehte sich um, hob ihren rechten Arm zum Gruß und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Leicht überrascht blieb der Agent der Weißen Macht zurück. Mit einem derartigen Abgang hatte er nicht gerechnet. Er ließ sich die letzten Worte dieser Mara noch mal durch den Kopf gehen und fragte sich, ob darin nicht eine Warnung versteckt gewesen war.
Er würde ihrem Ratschlag nicht folgen. Hier war jemand auf eine grausame Weise umgebracht worden. Man konnte von einem eiskalten Mord sprechen, und das wollte er auf keinen Fall akzeptieren. Und er vermutete inzwischen, dass auch schon andere Menschen auf die gleiche Weise ums Leben gekommen waren.
Es gab hier ein großes Problem, und er hatte ebenfalls eines. Jetzt war er froh, dass er am morgigen Tag seinen englischen Freund John Sinclair treffen würde. Dann waren sie zu zweit und konnten gemeinsam einiges in Bewegung setzen.
Es war wieder still geworden. Von Mara war nichts mehr zu hören. Katzenhaft leise war sie davon geschlichen. Das brachte Stephan auf den Gedanken, dass sie unter Umständen etwas mit den Katzen zu tun haben konnte. Für ihn stand fest, dass sie mehr wusste.
Er würde sich ein Quartier für die Nacht besorgen müssen. Das hatte er sich auch einfacher vorgestellt, denn er hatte damit gerechnet, dass es in Lesna ein Gasthaus oder eine Pension geben würde. Das war in grenznahen Orten so üblich. Doch da hatte er Pech, und wenn er tatsächlich eine Herberge fand, war es immer noch fraglich, ob man ihn aufnahm. Hier hielten alle zusammen, und sein Kommen würde sich längst herumgesprochen haben.
Auf dem Friedhof wollte er auch nicht bleiben. Als einzige Möglichkeit zur Übernachtung fiel ihm sein Auto ein, auch wenn es darin verdammt kalt sein würde.
Stephan Kowalski warf noch einen letzten Blick auf das Grab von Wanda Petric. Dann drehte er sich um und ging den Weg zurück, den er gekommen war.
Die Lampe ließ er eingeschaltet, aber der Strahl wies diesmal nicht zu Boden, sondern streifte über die Gräber und die Grabsteine hinweg.
Sie waren nichts besonderes. Die meisten von ihnen waren klein und mickrig, und die Kreuze bestanden in der Regel aus Metall. Zudem hatte der Schnee sein Tuch über die Gräber gelegt, als wollte er die in der Erde liegenden Toten wärmen.
Plötzlich waren die Katzen wieder da. Sie griffen nicht an, sie huschten schattenhaft über den gefrorenen Boden. Aber dabei blieb es nicht, denn sie fanden wieder ihre Ziele - und das waren die Gräber.
Er sah sie auf den Grabsteinen oder Kreuzen hocken. Es waren ja nicht wenige Gräber, aber die Katzen waren in der Überzahl, denn sie huschten von allen Seiten heran.
Stephan überkam ein ungutes Gefühl. Er ging auch nicht weiter, sondern blieb zwischen zwei Gräbern mit dem Kücken zur Mauer stehen.
Diesmal brauchte er nicht mal Licht, um die Tiere zu sehen. Sie bewegten sich zwischen den Gräbern, sie hockten auf ihnen, aber sie gaben keinen einzigen Laut ab.
Und sie schienen einem geheimen Befehl zu folgen, denn trotz des Durcheinanders wirkte alles wie geordnet, als würden sie sich zu etwas Bestimmtem versammeln.
Und dann waren sie auch bei ihm. Plötzlich huschten sie heran. Drei, vier, nein, noch mehr Katzen, denen Stephan nicht ausweichen konnte.
Sie waren unheimlich schnell. Keines der Tiere huschte an ihm vorbei.
Wenn sie ihn erreicht hatten, blieben sie stehen. Und dann sprangen sie in die Höhe.
Eine Katze hätte er noch abwehren können. Es waren aber ein halbes Dutzend. Sie wussten genau, wohin sie zu springen hatten. Eine Katze oder ein Kater mit getigertem Fell schaffte den Sprung fast hoch bis zu seiner Kehle. Dabei hatte sie das Maul weit aufgerissen und ließ die spitzen Zähne blitzen.
Stephan Kowalski hatte den ersten Schock überwunden. Was mit seiner Kleidung geschah, war ihm egal. Er wollte nur nicht, dass sie sein Gesicht zerkratzten und womöglich noch ihre Krallen in seine Augen schlugen. Deshalb musste er auf den Beinen bleiben, was leichter gesagt als getan war.
Einige Tiere traf er mit Faustschlägen. Er hörte ihr wütendes Schreien, wenn sie zu Boden fielen. Aber damit waren sie nicht außer Gefecht gesetzt, denn sie formierten sich sofort zu einem neuen Angriff.
Stephan war allein.
Die Katzen wurden immer zahlreicher. Er hatte das Gefühl, als würden sie von
Weitere Kostenlose Bücher