1611 - Jäger der Nacht
schrie sie wütend auf, kehrte aber nicht mehr zurück, ebenso wie ihre beiden Artgenossen, die sich am Straßenrand aufhielten.
Sie griffen nicht mehr an. Sie hockten im schmutzigen Schnee, starrten mich an und zogen sich plötzlich zurück.
Dann waren sie weg.
Auch mich hielt nichts mehr auf der Straße, und so stieg ich wieder in den Wagen und schloss die Tür.
»Was war das denn?«, fragte Suko.
»Unser Empfang.«
Er nickte. »Wenn das so ist, müssen wir davon ausgehen, dass man uns in Lesna nicht will.«
»Du sagst es.«
»Wenn schon die Katzen so reagieren, wie werden sich erst die Menschen verhalten?«
»Das werden wir herausfinden.«
Suko fuhr noch nicht an. Er wollte wissen, ob mich die Krallen verletzt hatten.
Ich betrachtete meine Hände. »Nein, nur meine Hose ist etwas in Mitleidenschaft gezogen worden. Das lässt sich verkraften.«
»Und sonst?«
»Können wir uns auf etwas gefasst machen. Es kann sein, dass in Lesna die Katzen die Kontrolle übernommen haben.«
Suko griff bereits zum Zündschlüssel. »Möglich ist es. Aber ich denke nicht, dass sie es aus eigenem Antrieb tun. Ich kann mir vorstellen, dass jemand hinter ihnen steht, der sie leitet, und das scheint auch die Briefschreiberin gewusst zu haben.«
Diese Wanda Petric war unser erstes Ziel. Bisher hatten wir gehofft, dort auch Stephan Kowalski zu finden, aber mein Gefühl sagte mir, dass dies nicht mehr zutreffen würde.
Nach einem kurzen Nicken startete Suko den Golf, und wenig später fuhren wir nach Lesna hinein.
***
Der Ort war kein Labyrinth, obwohl man den Eindruck haben konnte.
Besonders dann, wenn man Dörfer gewohnt war, durch die eine Hauptstraße führte, die den Ort in zwei Hälften teilte. Das war hier nicht der Fall. Es gab viele kleine Gassen, die miteinander verbunden waren und den an sich kleinen Ort fast unüberschaubar machten. Wir würden auch Probleme haben, das Haus der Wanda Petric zu finden.
Eine Anlaufstation gab es trotzdem. Es war das größte Haus. Sein Turm überragte die Dächer, und wir gingen davon aus, dass es sich dabei um eine Kirche handelte.
Wir hatten es tatsächlich geschafft, unser Ziel schon am Nachmittag zu erreichen. Der Tag hatte sich noch längst nicht verabschiedet. Es war normal hell, aber es herrschte eine Atmosphäre wie in der Dunkelheit.
Das war zu spüren, und auch zu sehen, denn im Freien und auf der Straße hielten sich nur wenige Menschen auf, die sich sofort wegdrehten oder verschwanden, wenn sie unseren Wagen sahen.
»Jetzt wissen wir, dass wir hier nicht willkommen sind«, stellte Suko fest.
»Du sagst es.«
»Und wie sieht es mit Katzen aus?«
»Ich habe bisher keine gesehen.«
Suko sagte nichts mehr und hielt an, weil es keinen Sinn hatte, im Ort herumzufahren. Die Kirche stand zwar auf unserer Liste, aber Wanda Petric aufzusuchen war wichtiger. Sie würde uns hoffentlich etwas über Stephan Kowalski sagen können.
Als ich die Tür öffnete, fragte Suko: »Was hast du vor?«
»Ich schaue mal nach, ob ich jemanden finde, der uns Auskunft geben kann.«
»Du denkst dabei an Wanda Petric?«
»An wen sonst?«
»Dann warte ich.«
»Okay.« Ich drückte die Tür zu und erschauerte in der Kälte. Der gesamte Ort war von ihr erfasst worden und schien ihn in einen Dornröschenschlaf versetzt zu haben.
Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Menschen entdeckte ich nicht.
Dabei war es noch nicht mal acht Uhr abends. Zwar schien nicht die Sonne, aber die Helligkeit des Tages war schon vorhanden, nur hatte sie es nicht geschafft, Lesna zum Leben zu erwecken.
Ich wusste nicht, wo ich Wanda Petric suchen sollte. Kalt und abweisend präsentierte sich die Umgebung.
Wo fand ich jemanden, der bereit war, mir eine Auskunft zu geben und der mich verstand? Das war mein Problem. Dieser Gedanke beschäftigte mich, als ich die Gasse verlassen hatte und mich umschaute. Der Ort konnte doch nicht tot sein! Irgendwo musste es jemanden geben, den ich fragen konnte.
Ich wollte nicht an irgendwelche Türen klopfen, weil ich nicht sicher war, dass man mir öffnen würde. Aber ich hatte Glück.
In meiner Nähe war eine Haustür aufgezogen worden. Das Geräusch hatte ich gehört und vernahm auch Schritte, die leicht knirschende Geräusche hinterließen.
Ich drehte mich um - und sah einen noch recht jungen Mann vor mir. Er hatte den Kragen seiner Winterjacke hochgeschlagen und starrte mich jetzt an, als wäre er durch mein Erscheinen geschockt worden. Er ging keinen Schritt
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