1611 - Jäger der Nacht
davon aus, dass diese Kirche hier von einer Katzenhorde übernommen wurde?«
»Klar. Sie ist praktisch entweiht worden.«
»Gut. Und was sagst du über ihr Verhalten?«
»Meinst du alle Tiere oder nur die beiden, die vom Taufbecken gesprungen sind?«
»Mehr die.«
»Und was willst du wissen?«
Suko hob die Schultern. »Ich hatte ja Gelegenheit, dich zu beobachten, John. Könnte es sein, dass die Katzen vor dir geflohen sind?«
»Daran habe ich auch schon gedacht.«
»Und warum haben sie das getan?«
Ich gab Suko noch keine Antwort. Ich dachte nur daran, dass ich kurz zuvor ebenfalls eine Veränderung verspürt hatte. Und zwar an meiner Brust. Genau dort, wo das Kreuz hing. Es war kein Wärme-oder Hitzestoß gewesen, und ich konnte auch nicht genau beschreiben, was mich gestört hatte. Auf jeden Fall aber hatte es reagiert.
»Was ist, John?«
»Ich werde mir mal das Kreuz genauer anschauen.«
»Okay.«
Im Moment waren die Katzen uninteressant geworden. Außerdem beobachtete Suko sie, sodass ich mich um mein Kreuz kümmern konnte, weil ich wissen wollte, was mit ihm passiert war.
Das Kreuz rutschte an meiner Brust hoch und ich erlebte auch dabei keine Veränderung.
Wenig später hielt ich es in der Hand und legte es auf die Fläche der Linken.
Suko war ebenfalls neugierig. Er trat näher an mich heran und schaute nach unten.
Keine Wärme, es sah normal aus - bis auf eine Kleinigkeit.
Unter dem Buchstaben M, der für den Erzengel Michael stand, malte sich das Allsehende Auge ab. Es war ein Dreieck mit einem Auge in der Mitte, das nach allen Seiten hin strahlte. Die Strahlen waren nur in das wertvolle Metall eingraviert worden.
Das war auch jetzt der Fall.
Es hatte sich trotzdem verändert, denn jetzt machte das Allsehende Auge seinem Namen alle Ehre.
Es strahlte sanft auf!
***
»Das ist es also«, raunte Suko nach einer Weile.
Auch ohne sich genauer zu erklären, wusste ich, was er meinte. Wir wussten beide, was das Symbol zu bedeuten hatte. Man konnte es auch als Auge der Vorsehung ansehen. Es war in der Freimaurerei bekannt, aber seinen Ursprung hatte es im alten Ägypten. Die Menschen damals hatten es zur Darstellung des Osiris genommen. Später war es dann von der christlichen Kirche übernommen worden wie viele andere heidnische Symbole. Es sollte die Menschen an die ewige Wachsamkeit Gottes erinnern, der alle Geheimnisse der Welt kannte. Die Augen des Herrn sehen an allen Orten beide, die Bösen und die Frommen.
Und jetzt sah es wieder.
Aber wen?
Es konnte sich eigentlich nur um die Katzen handeln.
»Was hat das Allsehende Auge mit den Tieren zu tun?«, fragte Suko flüsternd.
»Ich denke, das kann ich beantworten. Ägypten, Suko, die alte Magie. Die Anbetung von Tieren, und ich muss dir nicht sagen, dass auch die Katzen dazu gehören. Sie waren heilige Geschöpfe, und Bastet, die Katzengöttin, wurde sehr verehrt. Ich gehe davon aus, dass hier jemand eine alte magische Kraft hat auferstehen lassen.«
»Deshalb die Katzen.«
»Genau. Sie haben die Kraft der Vergangenheit gespürt, und das hat sie stark gemacht.«
»Aber wer?«
Ich hob die Schultern. »Es muss hier jemanden geben, der sich besonders gut auskennt und den alten Zauber in diesen Ort gebracht hat. Wer das ist, weiß ich nicht, und Wanda Petric können wir nicht mehr fragen.«
»Dann müssen wir uns an die Katzen halten. Aber sag mir eins, John. Dass dein Kreuz reagiert hat, siehst du das als gutes oder als schlechtes Zeichen an?«
»Das weiß ich noch nicht. Wir scheinen ihnen nicht als Freund willkommen zu sein. Schau dich mal hier um. Wir stehen zwar in einer Kirche. Doch ich sehe nichts, was auf eine christliche Passion hindeutet. Hier ist alles anders geworden. Wenn du willst, können wir sogar von einer Entweihung sprechen. Die Katzen haben alles in ihren Besitz und unter ihre Kontrolle genommen.«
»So sehe ich das auch. Durch dein Kreuz hast du zwei vertrieben, und jetzt denke ich darüber nach, ob du das auch mit den restlichen Katzen schaffst. Wenn sie die Kirche verlassen, werden sie irgendwo hingehen müssen, und ich könnte mir vorstellen, dass es die Person ist, die sie anführt und sich wahrscheinlich als heimlicher Herrscher von Lesna betrachtet.«
»Perfekt.«
»Dann los!«
Das hatte ich auch vor. Nur gab es eine andere Kraft, die dagegen war.
Wir sahen sie nicht. Wir hörten sie auch nicht, aber sie war da, und sie wurde nur von den Katzen verstanden.
Wie gesagt, sie hatten sich im gesamten
Weitere Kostenlose Bücher