1611 - Jäger der Nacht
Innenraum verteilt und dachten nicht daran, sich zu bewegen. Die ganze Zeit über hatten sie wie Statuetten auf ihren Plätzen gesessen, was sich in den nächsten Sekunden änderte.
Jetzt bewegten sie sich.
Zuerst die beiden auf dem Rand der Kanzel. Träge stellten sie sich auf, gaben dabei ein kläglich klingendes Miauen ab und sprangen aus der Höhe auf den Boden. Sie landeten mit einer geschmeidigen Sicherheit, und sie waren so etwas wie die Anführer, denen die übrigen Katzen gehorchten und folgten.
Es gab kein Tier mehr, das auf seinem Platz blieb. Sie verließen die Altarplatte, sie sprangen von den Bänken und den Stühlen an der Seite, und sie hatten nur ein Ziel: den Ausgang.
Nur sahen wir keine Person, die sie gelockt hätte. Es war wie beim Rattenfänger von Hameln, nur eben ohne den Fänger.
Jedes Tier wusste genau, was es zu tun hatte. Es reihte sich in die Gruppe der anderen ein, sodass ein Pulk entstand, der sich auf die Tür zu bewegte.
Auch jetzt waren sie nicht zu zählen. Ein Strom von Tieren huschte über den Steinboden. Die Katzen versammelten sich vor der Tür und huschten dann eine nach der anderen durch den Spalt, der noch immer vorhanden war.
Suko und ich griffen nicht ein. Es war uns beiden klar, dass man etwas mit den Katzen vorhatte, und das würden wir erfahren, wenn auch das letzte Tier verschwunden war.
Jedenfalls hofften wir das.
Niemand störte sich an uns. Ich hatte das Kreuz wieder weggesteckt, aber auch gesehen, dass das Allsehende Auge weiterhin leicht strahlte und somit auf die Katzen reagierte.
Dann hatte auch das letzte Tier die Kirche verlassen. Nur der Geruch war noch geblieben. Wir zählten bis zehn, dann nahmen wir den Weg, den auch die Katzen gegangen waren.
Der Blick durch den Spalt brachte uns nicht viel. Wir schauten trotzdem hinaus.
Einen Teil der Tiere sahen wir. Sie liefen über den hart gewordenen Schnee, und ich zerrte die Tür bis zum Anschlag auf, um endlich mehr sehen zu können.
Dabei dachte ich an die unbekannte Macht, die die Kontrolle über die Tiere besaß.
Sie war nicht zu sehen. Der Katzenpulk bewegte sich an unserem Auto vorbei. Die Tiere strömten in eine bestimmte Richtung. Ein besonderes Ziel fiel uns nicht auf, denn dort stand nicht ein Haus, und wir sahen auch keinen Menschen, der auf sie wartete.
Wohin dieser Weg führte, war nicht zu erkennen. Jedenfalls nicht zu einem Gebäude, denn es gab kein Haus.
Wenn wir stehen blieben, würden wir nichts erfahren, und so machten wir uns an die Verfolgung. Kein Tier drehte sich um, weil es nach irgendwelchen Verfolgern Ausschau halten wollte. Die Sicherheit dieser Katzen war schon frappierend, und wir sahen, dass sie einen Bogen schlugen.
Die Spannung in uns hatte nicht nachgelassen. Gab es hier in Lesna einen bestimmten Platz, der nur den Katzen vorbehalten war? Das konnte so sein, musste aber nicht, und wir gingen wie zwei Hüter hinter ihnen her. Wo sie anhielten, wollten wir auch bleiben, denn meine innere Stimme sagte mir, dass wir nur dort weiterkommen würden.
Die Umgebung der Kirche hatten wir längst verlassen, sodass wir jetzt einen freien Blick hatten. Und nun sahen wir, dass das Ziel der Katzen ein Friedhof war. Die Rotte hatte sich jetzt in die Breite gezogen und bewegte sich durch den Schnee auf die niedrige alte Mauer zu, die den Friedhof umgab.
»Das ist es also«, murmelte Suko. »Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
»Im Moment noch nicht.« Ich hatte keinen blassen Schimmer, was die Katzen mit dem Friedhof verband. Nun arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren, und tief in meinem Innern lag ein Wissen verborgen, das noch nicht aufsteigen wollte.
Katzen, Friedhöfe, der Glaube und die Magie der alten Ägypter - da gab es schon einen Zusammenhang.
Leider fand ich nicht die Zeit, mich darauf zu konzentrieren, denn Suko machte mich auf etwas anderes aufmerksam.
»Da parkt ein Auto.«
Jetzt, wo er es gesagt hatte, fiel es mir ebenfalls auf. »Und was meinst du damit?«
»Hätte der Fiat hier schon lange gestanden, dann wäre er mit einer Schneehaube bedeckt gewesen. Ist er aber nicht. So kam mir der Gedanke, dass er einem Besucher gehört, der sich in Lesna umschauen will. Da denke ich an einen bestimmten.«
»Du meinst Stephan Kowalski?«
»Wen sonst?«
Suko konnte recht haben. Ich hatte zuletzt nicht mehr an den Agenten der Weißen Macht gedacht, aber es war durchaus möglich, dass Sukos Vermutung zutraf. Stephan besaß keinen eigenen Wagen, auch wenn er mal mit
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