1612 - Der Vampir-Töter
würde, stand fest, und möglicherweise würde er noch mal mit Sinclair zusammentreffen, der diesen Diebstahl bestimmt nicht hinnehmen würde.
Das lag noch in weiter Ferne. Zuvor würde er sich um seine Aufgabe kümmern.
Der Seat stand noch dort, wo er ihn verlassen hatte. Niemand hatte sich an ihm zu schaffen gemacht.
Ethan Hunter stieg ein und hörte Sekunden später schon den Anschlag des Motors. Dann rollte er aus der Lücke und ließ die beiden hohen Häuser hinter sich.
Hunter hatte ein Ziel. Er würde nicht planlos durch die Nacht fahren. Bei ihm war alles genau durchdacht. In seinem Job hatte er gelernt, nichts dem Zufall zu überlassen, und daran hielt er sich auch jetzt.
Er war es dem Pfähler schuldig, auch wenn dieser nicht mehr unter den Lebenden weilte. Wäre er nicht gewesen, dann…
Nein, daran wollte er jetzt nicht denken. Dazu war später Zeit genug, denn zunächst wollte er das tun, was er sich vorgenommen hatte. Das gehörte sich einfach so, und er war froh, dass John Sinclair Mareks Leichnam nach London hatte überführen lassen.
Ethan Hunter hatte sich erkundigt und hatte auch nichts vergessen. Er wusste genau, welchen Weg er fahren musste, um den Friedhof zu erreichen, auf dem Frantisek Marek begraben lag.
Er hatte sich ein Nävi gekauft und es so hingestellt, dass er es im Auge behalten konnte. So konnte er sich in der Riesenstadt nicht verfahren.
Es war zum Glück kein großer Friedhof, auf dem Marek lag. Er würde nicht lange suchen müssen. Eine Taschenlampe trug er bei sich.
Er fuhr noch eine Viertelstunde und bog dann in die Straße ein, an der sein Ziel lag.
Das Gelände lag nicht abseits. Es war ein kleines und auch sehr altes Areal inmitten eines Wohngebiets. Die Menschen hatten sich längst daran gewöhnt und sahen den kleinen Friedhof als einen Park an.
Hunter parkte seinen Seat und löschte das Licht der Scheinwerfer. Er blieb noch im Fahrzeug sitzen. Das hatte er sich bei seinen Einsätzen angewöhnt. Immer die Gegend kontrollieren, denn mit den Feinden war nicht zu spaßen.
Hier spürte er nichts. Es war alles ruhig. Niemand hatte Interesse daran, in der Nacht den Friedhof zu besuchen. Auch keine Schwarzen, die irgendwelche Rituale feiern wollten. Die suchten sich für ihre Aktivitäten die größeren Friedhöfe aus.
Bis zum Eingang musste er noch ein paar Schritte gehen. Seine Gedanken drehten sich um seinen Auftrag. Nur für ihn lebte er. Lange genug hatte er darauf hin gearbeitet. Jetzt war er endlich in der Lage, die Dinge in die Tat umzusetzen.
Auf seiner Liste standen die Blutsauger. Er war zu ihrem Hasser geworden. Marek hatte ihm damals verraten, dass es sie überall auf der Welt gab und man sie vernichten musste, wo man sie antraf. Das hatte sich Hunter auch vorgenommen.
Vor dem Tor hielt er an. Es war natürlich zu, aber ein Problem, auf den Friedhof zu gelangen, gab es trotzdem nicht für ihn. Er stieg über die Absperrung hinweg und nutzte schon nach wenigen Schritten die Deckung der Büsche aus.
Erst jetzt schaltete er seine Lampe ein. Der bleiche Lichtstrahl huschte über die alten Gräber.
Er spürte in sich die Hitze, als würde sein Blut anfangen zu kochen.
Daran wollte er nicht denken, erst musste er seine nächste Aufgabe erledigen.
Ethan Hunter ging zwar davon aus, dass er sich zu dieser Zeit allein auf dem Friedhof bewegte, aber absolut sicher war er sich nicht, und deshalb hielt er die Augen weit offen, um zu erkennen, ob sich nicht irgendeine Gestalt herumtrieb.
Das war offenbar nicht der Fall. Er war beruhigt.
Alte Gräber mit verblichenen Namen der Verstorbenen auf den Steinen huschten vorbei. Wer auf diesem alten Friedhof jemanden begraben wollte, der brauchte schon eine Sondergenehmigung, und die hatte Sinclair damals für Frantisek Marek und auch für Sarah Goldwyn bekommen.
Noch hatte er das Grab des Pfählers nicht entdeckt, aber er hatte bisher noch nicht alles abgeleuchtet.
Knapp zwei Minuten später war es dann so weit!
Wie von einem Blitzschlag getroffen blieb er stehen. Er reagierte sehr menschlich und hatte plötzlich das Gefühl, neben sich selbst zu stehen.
Er schwankte, stöhnte, weil ihn die Erinnerungen überschwemmten wie eine gewaltige Woge.
Er las den Namen auf dem schlichten Stein, und er sah auch, dass dieses Grab sehr gepflegt war. Abgedeckt für den Winter, machte es trotzdem keinen so traurigen Eindruck.
Der Lichtkegel enthüllte jeden Zentimeter, und der nasse Stein gab das Glänzen wieder.
Ethan Hunter
Weitere Kostenlose Bücher