1615 - Allee der Toten
leicht verengt. Ein Hemd, eine Lederweste, Jeans und halbhohe Schuhe bildeten seine Kleidung.
Zwei Schritte vor ihm blieben wir stehen und grüßten freundlich. Der Mann nickte zurück und fing an zu reden, was uns wunderte. »Sie sind fremd hier«, stellte er fest.
»Das ist wahr. Wir kommen aus London.«
»Ah ja«, sagte er und hatte die Antwort so betont, dass es wirkte, als wüsste er Bescheid.
»Wir sind aus einem besonderen Grund in diesen Ort gekommen«, fuhr ich fort, »denn…«
Er winkte ab und unterbrach mich. »Sind Sie wegen dieses anderen Fremden gekommen?«
Ich lächelte etwas hilflos. »Von wem reden Sie?«
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Es geht sicherlich um Frank Morgan.« Oh, er kannte ihn. Wenn das nicht ein Glücksfall war!
Ich fühlte mich schon etwas erleichtert.
»In der Tat. Seinetwegen sind wir aus London hergekommen.«
»Dann gehören Sie zu ihm?«
»Nun ja, nicht so direkt.«
Er schaute uns an. Es war schon mehr ein studieren. »Wenn Sie nicht zu ihm gehören, was wollen Sie dann von ihm?«
»Er rief uns an«, sagte ich.
»Wann?«
»Gestern.«
Der Grauhaarige nickte. »Ja, das ist möglich. Und jetzt wollen Sie mit ihm sprechen?«
»Das hatten wir vor«, sagte Suko. »Kommen Sie mit!«
Wir hatten gedacht, dass er uns aus dieser Umgebung wegführen würde, aber er drehte sich nur um und schritt durch die offen stehende Tür ins Haus, das nur kleine Fenster hatte, sodass der Mann das Licht einschaltete.
Die Helligkeit verteilte sich von der Decke her, und wir fanden uns in einem Raum wieder, in dem allerlei Gerümpel herumstand. Wo allerdings auch großes Werkzeug aufbewahrt wurde und sogar ein kleiner Trecker stand.
Der Mann ging nach rechts, denn sein Ziel war ein Tisch. Davor blieb er stehen und nahm uns so auch einen Teil der Sicht.
»Frank Morgan«, wiederholte er den Namen des Regisseurs und trat zugleich zur Seite. »Da liegt er.« Wir hatten freie Sicht.
Auf einem recht großen Tisch lag ein Körper. Ein Mann, der nicht mehr lebte. »Da haben Sie Ihren Gesuchten…«
***
Weder Suko noch ich sagten ein Wort. Schweigend traten wir näher an den Tisch heran, um den Leichnam Frank Morgans besser betrachten zu können. Man hatte ihn auf den Rücken gelegt und ihm nicht mal die Augen geschlossen. Blicklos starrte er gegen die Decke, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen.
Wie er ums Leben gekommen war, war nicht zu erkennen. Es gab keinen Hinweis an seinem Körper, aber es musste ihm übel ergangen sein, denn der Schrecken und die Angst, die er in den letzten Sekunden seines Lebens erlebt hatte, standen wie eingemeißelt in seinen Zügen.
Ich dachte an seinen Anruf mitten in der Nacht und erinnerte mich daran, etwas von der Angst gehört zu haben, die ihn im Griff gehabt hatte.
»Was wollten Sie von ihm?«, fragte der Mann. »Sind Sie auch vom Film?«
Suko drehte sich von dem Toten weg. »Nein, das sind wir nicht.« Er stellte uns namentlich vor und fügte dann unsere Berufe hinzu, wobei der Mann leicht zusammenzuckte.
»Jetzt wissen Sie, woher wir kommen«, sagte Suko, »und ich denke, dass wir auch bleiben werden.«
Der Bewohner sagte nichts. Er hob nur seinen Arm und strich mit der Handfläche über sein graues Haar. In seinem Gesicht arbeitete es, er wusste wohl nicht, wie er sich verhalten sollte, und ich baute ihm eine Brücke. »Wie heißen Sie, Mister?«
»Mein Name ist Jason Wade.«
»Und Sie wohnen hier in Bellever?«
»Ja. Ich bin so etwas wie der Mann für alles. Wir haben hier keinen richtigen Bürgermeister. Wenn irgendetwas ist, wendet man sich an mich. Das haben auch damals diese Filmleute getan. Dass einer von ihnen noch mal zurückkehren würde, damit habe ich beim besten Willen nicht gerechnet. Da bin ich ehrlich.«
»Warum?«
»Es war alles abgedreht. Die Mannschaft ist wieder gegangen. Wir hatten unsere Ruhe.«
Darauf wollte ich später noch mal zurückkommen, ich wollte erst eine andere Frage loswerden.
»Wo haben Sie Frank Morgan gefunden?«
»Nicht hier im Ort, sondern außerhalb.«
»Auf der Allee der Toten?«
Bisher war Jason Wade nicht aus der Ruhe zu bringen gewesen, jetzt zuckte er zusammen, was auf ein starkes Erschrecken hindeutete. »Was wissen Sie davon?«, flüsterte er.
»Zu wenig«, sagte Suko. »Alles andere wollen wir hier erfahren. Wenn ich Sie mir anschaue, dann stelle ich fest, dass Ihnen der Begriff etwas sagt, Mr. Wade.«
Der Mann senkte den Blick. Er suchte nach einer passenden Antwort und
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