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162 - Das Grauen aus der Baring Road

162 - Das Grauen aus der Baring Road

Titel: 162 - Das Grauen aus der Baring Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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übertriebene Höflichkeit haßte. „Ihren Vampir schlagen Sie sich gefälligst aus dem Kopf." Zwei rasche Schritte brachten ihn neben den. Nachttisch, und ehe die Frau ihn daran hindern konnte, nahm er das dort liegende Romanheft und schlug es auf. Sichtlicher Ärger zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er den Titel und einige Absätze des Inhalts überflog. „Der Vampir von Gretna Green. Vielleicht sollten Sie vor dem Einschlafen weniger Aufregendes lesen. Märchen wären angebrachter." Sprach's und verließ das Schlafzimmer, ohne sich noch einmal umzuwenden. Daß Sullivan mit den Schultern zuckte, sah er nicht, auch nicht, daß Miß Pickford nahe daran war, ihm das Romanheft nachzuwerfen.

    Jeffrey Slikker war Junggeselle - einer von denen, die mit Frauen wenig anzufangen wissen und lieber ihre persönliche Freiheit bewahren, anstatt sie eines kurzen Vergnügens wegen aufs Spiel zu setzen. Er legte auch wenig Wert auf sein Äußeres. Sein konstanter Drei-Tage-Bart hatte ihm schon mehrfach den Unwillen seines Vorgesetzten eingebracht. Aber er konnte arbeiten wie ein Pferd, wenn es sein mußte, 15 Stunden und mehr am Tag, und sein Chef würde sich hüten, ihn irgendwelcher Äußerlichkeiten wegen vor die Tür zu setzen.
    Jeffrey Slikker wohnte außerhalb Londons, im Südosten, rund zehn Meilen von seiner Arbeitsstelle, dem Postamt am Lewisham Way, entfernt. Aber obwohl er mit der Bahn über Grove Park bis zur St. John's Station eine gute Verbindung gehabt hätte, zog er es vor, bei jeder Witterung mit seinem alten, klapprigen Ford zu fahren. Er fühlte sich einfach unabhängiger.
    So auch an diesem Morgen. Die ganze Nacht hindurch hatte es gestürmt und wie aus Eimern gegossen. Der neue Tag zeigte sich trüb und unangenehm kühl, und die Sonne, falls sie überhaupt schon aufgegangen war, verbarg sich hinter dem dichten Dunst, der den Himmel in eine eintönig graue Käseglocke verwandelte. Noch immer war es windig; der Schein der Straßenlampen schwankte über Fahrbahn und Gehsteige bis in die Vorgärten hinein.
    Slikker achtete kaum mehr auf die Umgebung. Gewohnheitsmäßig bog er in nördliche Richtung in die Baring Road ein, um in ihrer Verlängerung, der Burnt Ash Road, bis zur Lee High Road weiterzufahren und sich dann ausschließlich links zu halten.
    Im Radio kamen Frühnachrichten. Jeffrey Slikker stellte den Ton lauter, um wegen des übermäßigen Motorengeräuschs überhaupt etwas zu verstehen. Eigentlich verfolgte er die Nachrichten aus purer Langeweile.
    Plötzlich durchzuckte es ihn siedendheiß. Vor ihm, auf der linken Straßenseite, lag jemand. Ein zusammengerollter menschlicher Körper zeichnete sich fahl zwischen den Wasserlachen ab.
    Slikker trat das Bremspedal voll durch. Der Ford ruckte erst und glitt wie auf einer Eisbahn dahin, stellte sich dann gegen die verzweifelten Lenkbewegungen quer und rutschte etliche Dutzend Meter weit. Als Slikker endlich den Fuß von der Bremse nahm, war es bereits zu spät. Der Wagen stieß noch mit einem der Hinterräder an den Bordstein und kam zum Stillstand.
    „O mein Gott!" brachte der Mann keuchend hervor. Eine ganze Weile saß er nur da, unfähig, etwas zu unternehmen, die Hände ums Lenkrad gekrampft, daß die Knöchel bleich unter der Haut hervortraten.
    Der letzte Rest der Müdigkeit, der noch in ihm gesteckt hatte, war wie weggeblasen. Er hatte einen Menschen überfahren, ihn womöglich getötet. Wenn er nur daran dachte, wurde ihm übel. In seinen Halsschlagadern pochte das Blut wie verrückt.
    Zögernd blickte Slikker in den Rückspiegel. Hatte jemand den Unfall bemerkt? Im nächsten Moment ertappte er sich dabei, daß er im Begriff war, den Zündschlüssel umzudrehen und den abgewürgten Motor zu starten. Er mußte wahnsinnig sein, das überhaupt in Betracht zu ziehen.
    Endlich stieß er die Fahrertür auf und stieg aus. Die kühle, mit Feuchtigkeit gesättigte Luft klärte seine Sinne ein wenig. Tief atmete Slikker durch, bevor er um das Auto herum und am Bordstein entlang zurückging. Da war niemand.
    Er verstand es selbst nicht, aber der Mensch, den er überfahren hatte, schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Vielleicht war er im Schock davongelaufen. Eine plausiblere Erklärung fiel Slikker nicht ein.
    Er fröstelte.
    Gespenstisch verschwammen die Schatten einiger kahler Bäume miteinander. Slikker glaubte das Unheimliche zu spüren, das ringsum lauerte. Unmittelbar vor ihm ragte eine hohe Steinmauer auf, die ein ausgedehntes

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