162 - Das Grauen aus der Baring Road

nahm, bemerkte er, daß die feinen Fäden auch alle anderen Teile wie Flaum umgaben.
    „Es ist die Wurzel eines Domengewächses", erklärte Madigan. „Nur eine von tausend besitzt dieses verschrobene Aussehen. Einige Medizinmänner verstanden es angeblich, die besonderen Kräfte der Pflanze zu wecken und…" Er verstummte. Im selben Augenblick, in dem Dorian Hunter den plötzlichen kalten Luftzug spürte. Das Zischen einer Schlange erfüllte den Raum.

    Palawaikö war keine andere Wahl geblieben, als das Monstrum zu töten. Fast schon zu spät hatte er bemerkt, daß der Indianer im Begriff war, die Kreatur seinem Willen zu unterwerfen. Leider gelang es diesem Dorian Hunter nun, abermals zu entkommen.
    Palawaikö setzte sich mit den beiden anderen magischen Geschöpfen Irminas auf seine Spur. Er hatte schon immer ein besonderes Gespür besessen, und Hunters eigenartige Ausstrahlung war für ihn deutlich wahrzunehmen.
    Der Verfolgte verschwand in einem von vielen Menschen bewohnten Haus. Die Große Schlange ließ, geraume Zeit verstreichen, bis sie sicher sein konnte, daß Hunter nun nicht mehr entkommen würde. Palawaikö war noch immer nur ein halbkörperlicher Schatten. Seine Magie half, auch die beiden Ungeheuer vor allzu neugierigen Blicken zu verbergen, die im Innenhof der versprochenen Beute auflauerten.
    Endlich drang Palawaikö ins Haus ein. Hunter war nicht allein. Aber der Mann, der bei ihm war, wirkte ungefährlich.
    Niemand sah den menschlichen Schatten mit dem monströsen Schlangenschädel, der durch die geschlossene Tür hindurchtrat. Palawaikö griff an. Doch Hunter reagierte nicht minder schnell; während der andere Mann wie erstarrt dastand, brachte er sich mit einem blitzschnellen Satz aus der Reichweite der zuschnappenden Fangzähne. Enttäuscht heulte Palawaikö auf, nicht zuletzt, weil er die Wurzel in Hunters Hand entdeckte. Ihre Kräfte neutralisierten seine Magie weitgehend. Alles, was er noch zuwege brachte, waren zuckende Entladungen, die einige Töpfereien und an der Wand hängende Gegenstände zerfallen ließen.
    Immer mehr wurde Palawaikö zur Schlange; sein mächtiger, zuckender Körper hinterließ ein Chaos aus Trümmern. Der zweite Mann schoß einen Pfeil auf ihn ab. Das Geschoß zersplitterte an Palawaikös Schädel, ohne ihn zu gefährden. Ein kraftvoller Schwanzschlag riß den Gegner von den Beinen und beförderte ihn in irgendeine Ecke, wo er besinnungslos liegenblieb.
    Jetzt triumphierte die Große Schlange. Schritt für Schritt mußte Dorian Hunter zurückweichen. Seine Beschwörungen blieben wirkungslos. Wäre die Zauberwurzel nicht gewesen, Palawaikö hätte ihn längst zermalmt. Aber auch so war der Augenblick der Rache nahe. Mit jeder Sekunde wuchs der Schlangenschädel, während der schuppenübersäte Leib den Raum zunehmend ausfüllte. Die gespaltene Zunge berührte Hunter, tastete an seinem Körper entlang. Vergeblich schlug der Mann mit den Fäusten zu.
    Warum schreist du nicht? dachte Palawaikö. Auf den Knien sollst du vor mir liegen.
    Dorian Hunter hörte auf, sich zu wehren. Er mußte eingesehen haben, daß seine Bemühungen sinnlos waren. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er den nadelspitzen Giftzähnen entgegen, die jeden Moment seine Haut ritzen konnten…

    Alles war vergebens. Ronald Madigan hatte den Versuch, ihm beizustehen, vermutlich mit schweren Verletzungen bezahlt. Und Dorian konnte nicht weiter ausweichen; die Schlange hatte es verstanden, ihn vom Fenster und somit dem einzigen möglichen Fluchtweg wegzudrängen.
    Daß es einmal so enden würde, hätte Dorian nie geglaubt. Er war machtlos gegen dieses dämonische Ungeheuer, das sich von Bannsprüchen nicht im mindesten beeindrucken ließ. Und mehr hatte er nicht aufzubieten. War das Schicksal eines Menschen wirklich unabwendbar? Nur zu gut wußte Dorian, daß er es in der Hand gehabt hatte, sich rechtzeitig mit Waffen zu versorgen. Warum hatte es ihn ausgerechnet nach Soho gezogen?
    Palawaikös stinkender Atem erzeugte Übelkeit. Dem Dämonenkiller wurde abwechselnd heiß und kalt, sein Pulsschlag raste, und dann begann sein Gesicht zu brennen. Palawaikö genoß es, ihn zu quälen. Nur noch Zentimeter waren die Giftzähne, an deren Spitzen winzige Tropfen schillerten, von Dorians Kopf entfernt.
    Die Hitze wurde schier unerträglich. Der Dämonenkiller empfand es, als stünde sein Gesicht in Flammen. Zugleich zuckte Palawaikö fauchend und sich windend zurück. Irgend etwas schien der Großen Schlange