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162 - Das Grauen aus der Baring Road

162 - Das Grauen aus der Baring Road

Titel: 162 - Das Grauen aus der Baring Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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hatte Hunter nichts davon bemerkt. Andernfalls hätte er sich wohl wieder dazu hinreißen lassen, Miß Pickford aus dem Haus zu werfen. Wie damals, vor etlichen Jahren, als sie noch in seinem einfachen Reihenwohnhaus Putzfrau gewesen war und ständig Streit mit ihm gehabt hatte, weil sie in seinen alten Schriften schmökerte. Vielmehr hätte er froh sein sollen, daß sie die Bücher regelmäßig abstaubte und in Schuß hielt.
    „Undank ist eben der Welten Lohn", murmelte Martha Pickford halblaut vor sich hin.
    Das Tarot hatte ihr einen gehörigen Schrecken eingejagt. Erst der Tod, die 13. Karte, und gleich darauf die 12., die Prüfung oder auch der Gehenkte. Ein solcher Hinweis war kaum mißzuverstehen. Wenn Miß Pickford es recht bedachte, besaß sie keine andere Möglichkeit, die bösen Geister zu vertreiben, als möglichst viel Lärm zu machen.

    Auch im Keller der Villa war von dem stürmischen, regnerischen Wintertag nicht allzuviel zu bemerken. Lediglich das gleichmäßige Gurgeln und Plätschern im Fallrohr der Dachrinne ließ die anheimelnde Wärme innerhalb der schützenden Mauern richtig bewußt werden.
    Ein solches Wetter, bei dem man nicht einmal einen Hund vor die Tür jagte, drückte vielen Menschen aufs Gemüt. Dorian Hunter nutzte die Zeit, in der ohnehin so gut wie nichts Aufregendes geschah, um seine Reliquien- und Dokumentensammlung zu ordnen. Schließlich hatte er all diese notwendigen Arbeiten während der letzten Wochen und Monate mit einer gewissen Nachlässigkeit gehandhabt.
    Miß Pickford hatte es ausnahmsweise nicht für nötig gehalten, zum Staubtuch zu greifen. Mit einem kräftigen Schluck Bourbon spülte Dorian Staub und aufkeimenden Ärger hinunter. Er hatte die Haushälterin verboten, an seine Sachen zu gehen, aber diesmal hielt sie sich wörtlich daran. Weil sie nicht glücklich war, wenn sie ihm nicht irgendwie auf die Nerven fallen konnte.
    Hart stellte Hunter das Glas auf den Tisch zurück und holte aus der geöffneten Vitrine die gut zwanzig Zentimeter hohe bronzene Statue Lakshmis heraus, der indischen Göttin der Schönheit. Mit einem Pinsel wischte er den Staub von den nackten Schultern der Statuette und den mit Inschriften fein ziselierten Beinkleidern. Niemand hatte ihm bislang sagen können, welche Bedeutung die Gravuren besaßen. Sicherlich waren es aber jahrtausendealte magische Beschwörungen, weshalb die Göttin in seiner Sammlung überhaupt einen Platz gefunden hatte.
    Die Dämmerung draußen und das gleichbleibende Licht aus den Deckenstrahlern ließen jeden Zeitbegriff verlieren. Dorian Hunter sah auf, als der tobende Sturm wieder einmal mit einem schrillen, kreischenden Diskant auf sich aufmerksam machte. Ursprünglich hatte er nur einen Tag in London bleiben wollen. Daß er nun schon die zweite Nacht in der Villa verbringen würde, lag zum einen an den Londoner Pubs und dem gestern noch strahlenden Sonnenschein, zum anderen daran, daß weder Coco noch ihr gemeinsamer Sohn Martin ihn im Augenblick besonders vermißte. Erst nach dem Lunch hatte er kurz mit Basajaun telefoniert, wo alles zum Besten stand. Im Gegensatz zur britischen Metropole schneite es in den Pyrenäen heftig - für Martin, den Zyklopenjungen Tirso und, mit Einschränkungen, sogar für Phillip Hayward
die
Gelegenheit, sich auszutoben. Auch Coco freute sich, wenn die Kinder ausgelassen herumtollten, denn sie hatten ohnehin viel zu selten Gelegenheit dazu. Der Ernst des Lebens kam gerade auf Martin und Tirso schneller zu, als es den Erwachsenen recht sein konnte.
    Ein lautes Klirren, als hätte Miß Pickford soeben einen ganzen Stapel Teller zerschlagen, schreckte den Dämonenkiller aus seinen Gedanken auf. Unwillkürlich versuchte er, sich ihr zerknirschtes Gesicht vorzustellen. Es wäre eine Lüge gewesen zu behaupten, daß beide sich jemals gut miteinander vertragen hätten.
    Zögernd schloß er die Vitrine ab. Natürlich war bisher weniger erledigt, als er es sich vorgenommen hatte.
    Ein zweites Glas Bourbon und eine in aller Ruhe gerauchte Players überzeugten Dorian schließlich davon, daß es sinnvoll war, noch eine Weile weiterzumachen. Was sollte er sonst tun? Sich mit Miß Pickfords Rechthaberei herumschlagen oder mit Trevor Sullivan über vergangene Zeiten diskutieren? Heinzelmännchen oder ähnliche guten Geister, die ihm währenddessen die Arbeit abnahmen, gab es leider nicht.
    Der Sturm tobte weiterhin unvermindert heftig. Nur war es inzwischen fast völlig dunkel geworden.

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