1623 - Der Zombie-Rabe
riesige Rabe«, sagte Harry. »Ein Wesen, das auch wir nicht begreifen können. Keiner von uns weiß, woher das Tier gekommen ist. Was ist mit Ihnen? Hat Fabricius den Raben mal erwähnt?«
»Nein, das hat er nicht.« Urs schüttelte den Kopf. »Oder, Mario?«
»Nein, hat er nicht. Daran würde ich mich erinnern. Er wollte uns hier nur etwas Besonderes zeigen. Deshalb haben wir ihn begleitet. Das Tor zur Totenwelt. Dass es so laufen würde, damit hat keiner von uns gerechnet. Ehrlich nicht.«
Ich glaubte ihnen jedes Wort.
»Können Sie sich vorstellen, wohin die beiden geflogen sind? Haben Sie eine Ahnung?«
»In die Toten weit?«, fragte Mario.
Ich stimmte zu. »Ja, aber wo liegt sie?«
»Darüber hat er nie gesprochen.«
»Jedenfalls nicht hier«, meinte Urs Hoff mann. »Und ich möchte auch nicht länger in dieser Mulde bleiben. Ich bin froh, wenn ich wieder in einer anderen Umgebung bin.«
Das konnte ich verstehen. Auch sah ich keinen Grund, hier noch länger zu bleiben. Für mich war es kein schwarzmagischer Ort, denn das Kreuz hatte bisher nicht reagiert, und das änderte sich auch jetzt nicht.
»Es ist wohl besser, wenn wir von hier verschwinden«, meinte auch Harry. »Ich glaube nicht, dass sich hier noch was tut. Fabricius und der riesige Rabe werden wohl kaum hierher zurückkehren.«
Ich hatte noch eine Frage und hoffte, dass man sie mir beantworten konnte.
»Weiß einer von ihnen, durch welche Umstände Fabricius blind geworden ist?«
Die Freunde schauten sich an. Sie überlegten auch, nur wurde ich enttäuscht.
Keiner konnte mir eine Antwort geben. Ich hörte nur, dass Fabricius darüber nie gesprochen hatte.
»Haben Sie denn gefragt?«
»Wir haben uns nicht getraut«, gab Mario kleinlaut zu. »Ja, so ist es gewesen.«
Das konnte ich nachvollziehen. Wahrscheinlich hatten sie so unter dem Eindruck dieser Persönlichkeit gestanden, dass sie sich sehr klein gefühlt hatten. Fabricius hatte alles unter Kontrolle gehabt. Er hatte sie in seinem Lebenskreis mit einbezogen, und er hatte es nicht zugelassen, dass jemand ausstieg.
»Wo finden wir ihn?«, fragte Harry. »Hat einer von euch da eine Idee?«
Wir hatten keine positive Antwort erwartet.
Mario Montini sagte nur: »Ich glaube nicht, dass wir ihn in seinem Haus am Hang treffen werden. Er hat doch alle Chancen auf seiner Seite. Der Rabe kann ihn wegtragen. Er kann mit ihm hinfliegen, wohin er will. Vielleicht sogar in die Totenwelt.«
Das war nicht mal übertrieben.
Ich schaute zum Rand der Mulde hoch, wo Suko stand und den größten Teil unserer Unterhaltung mitbekommen hatte. Fragen stellte er nicht. Er war auch dafür, dass wir in Richtung Seilbahn gingen und ins Tal fuhren.
Das Wetter machte den Eindruck, als sollte es sich ändern.
»Da kommt von Süden her was hoch«, erklärte Suko.
»Alles klar.« Ich wollte noch wissen, ob die Seilbahn auch fuhr.
Die Frage beantwortete Urs Hoffmann mit einem knappen Nicken. »Die Arbeiter müssen ja wieder ins Tal. Die bleiben über Nacht nicht hier.«
»Dann haben wir ja kein Problem.«
Wir kletterten aus der Mulde. Das Wetter hatte sich noch nicht geändert, aber erste Anzeichen waren vorhanden. Die Klarheit der Luft war verschwunden. Dünne Nebelfinger krochen hinein, und der prächtige Weitblick war gestört.
Schnee hatte es in der Mulde nicht gegeben. Das änderte sich jetzt. Wir mussten durch die weiße Pracht stampfen und gingen in unseren eigenen Spuren wieder zurück.
Natürlich hatten wir die Raben nicht vergessen. Es gab keinen von uns, der nicht hin und wieder einen Blick zum Himmel geworfen hätte. Doch da war nichts zu sehen, was uns hätte gefährlich werden können.
In der Station erwartete uns eine positive Überraschung. Wir sahen eine Gondel dort stehen. Sie war bereit, ins Tal zu fahren. Auch einer der Arbeiter war da.
Seine Augen wurden groß, als er uns sah.
»Fehlt da nicht jemand? Wo ist der blinde Mann?«
»Er ist seinen eigenen Weg gegangen«, sagte Harry.
»Ach. Wieso das? Der ist doch nicht tot - oder?«
»Nein, das ist er nicht.«
Der Arbeiter schaute Harry an. Ob er ihm die Erklärung abnahm, war ihm nicht anzusehen. Jedenfalls hob er die Schultern und meinte: »Wir werden in einer Viertelstunde starten. Es ist die letzte Talfahrt.«
»Das ist gut.« Harry holte aus seiner Tasche einige kleine Euroscheine hervor. »Für die Fahrten, Meister.«
»Oh, danke.«
Damit waren alle zufrieden, und wir warteten darauf, die Gondel besteigen zu
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