1626 - Die Nymphe
ungewöhnlich war es schon. Ich hatte nur ihren Geistkörper gesehen und war gespannt, was mit dem echten passiert war.
Erst mal musste ich das Kloster finden. Dabei half mir das Internet. Ich war von London aus in südwestlicher Richtung gefahren, bis an die Grenze der Provinz Kent. Hinein in eine sehr britische und auch sehr ländliche Region, wobei mir kein Kloster aufgefallen war und ich auch kein Hinweisschild gesehen hatte.
Ich war gespannt, ob es die Suchmaschine schaffte, holte mir eine Karte der Gegend auf den Bildschirm und bestätigte den Link zu den Sehenswürdigkeiten.
Da gab es nicht viel. Erst recht kein Kloster. War also nichts. Der Computer ist eben nur so schlau wie sein Besitzer. Aber ich hatte eine Idee, und die setzte ich sofort in die Tat um. Ich wusste ja, in welcher Nähe eines bestimmten Orts ich mich aufgehalten hatte. Das Kaff hieß Hunton. Da es dort bestimmt keine Polizeistation gab, rief ich in der nächsten größeren Stadt die Kollegen an. Maidstone liegt nördlich von Hunton.
Ich bekam eine Verbindung, doch gejubelt wurde nicht über meinen Wunsch. Mit einem Kloster konnten die Leute nicht viel anfangen. Man gab mir einen Namen. Ich sollte einen gewissen Basil Hapthorne anrufen. Er war so etwas wie ein Heimatforscher und kannte sich gut aus.
»Wenn einer Ihnen weiterhelfen kann, dann er, Mr. Sinclair.« Ich bekam auch die Telefonnummer und war gespannt, ob der Mann der Richtige war.
Manchmal muss man Glück haben. Jedenfalls war dieser Basil Hapthorne zu Hause, und er schien einen Schluckauf zu bekommen, als er hörte, wer da mit ihm sprechen wollte.
»Tatsächlich Scotland Yard?«
»Ja, Sir.«
»Woher haben Sie meine Telefonnummer?«
»Die gaben mir die Kollegen vom Revier.«
»Ja, ja«, sagte er lachend. »Da kennt man mich. Darf ich jetzt fragen, worum es geht?«
»Das dürfen Sie.« Ich kam sofort zur Sache und erklärte ihm, dass ich ein Kloster suchte.
»Oh, wollen Sie dort eintreten?«
»Das nicht, Sir. Außerdem geht es um ein Nonnenkloster.«
»Ha, ha, Sie kleiner Wüstling, Sie.«
Ich verdrehte die Augen. Was mochte das für ein Typ sein, mit dem ich sprach. Bestimmt älter, dazu mit einem Tweed-Sakko bekleidet und einem Schnäuzer auf der Oberlippe. Ein gewisser Humor war ihm nicht abzusprechen.
Er wurde trotzdem schnell ernst und kam zur Sache. Ich erfuhr, dass es in der Umgebung eigentlich keine Klöster mehr gab. Diejenigen, die es mal vor Hunderten von Jahren gegeben hatte, waren längst aufgelöst worden. Und ein Nonnenkloster hatte es erst recht nicht gegeben.
»Dann habe ich wohl Pech gehabt.«
»Sieht so aus, Mr. Sinclair. Aber werfen Sie die Flinte nicht gleich ins Getreide.«
Ich horchte auf. »Es gibt also noch Hoffnung?«
»So leicht gebe ich mich nicht geschlagen, mein Lieber. Nein, ich nicht. Wenn ich eine Aufgabe habe, dann verbeiße ich mich darin, und das ist auch jetzt der Fall.«
»Sehr gut.«
Es war zu hören, dass Basil Hapthorne schnaufte. »Sie haben indirekt recht, Mr. Sinclair. Es gibt noch in der Nähe ein Haus, das man entfernt als Kloster bezeichnen kann. Ich weiß, wo es liegt. Es ist das Haus der frommen Frauen. So jedenfalls wird es im Volksmund genannt. Aber es ist kein Kloster, wenn Sie verstehen.«
»Bitte, sprechen Sie weiter.«
»Gern!« Er räusperte sich. »Man kann das Haus mit den Höfen der Beginen vergleichen. Diese Orte waren so etwas wie ein Rückzugsgebiet für Frauen, die keine Nonnen werden, aber unter sich bleiben wollten und zölibatär lebten. Sie kümmerten sich nicht nur um ihr eigenes Seelenheil, sondern waren auch karitativ tätig. So haben sie junge Leute unterrichtet oder Mädchen den rechten Weg gewiesen, wie immer man das interpretieren darf. Ein derartiges Haus existiert tatsächlich in der Nähe von Hunton.«
»Das ist gut.«
»Danke.«
Ich fragte: »Ist es denn auch noch belegt?«
»Soviel ich weiß, schon.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Kann es sein, dass man dieses Haus hin und wieder mit einem Kloster verwechselt? Ich meine, dass man ihm diesen Namen gibt?«
»Sicher. Die Einheimischen sehen das locker. Sie machen keine großen Unterschiede. Für sie ist es schlicht und einfach das Kloster. Auch heute noch.«
»Sehr interessant, Mr. Hapthorne.«
»Finde ich auch. Es ist äußerst selten in der heutigen Zeit, dass es diese Frauen noch gibt. Aber die Beginenhäuser bekommen wieder mehr Zulauf. Besonders auf dem Festland. Wie in Belgien, den Niederlanden,
Weitere Kostenlose Bücher