1626 - Die Nymphe
verschwunden. Für die Seitenwände weiter vorn galt das Gleiche. An dem Ort, wo sie sich befand, waren die Wände noch zu erkennen, und sie sah auch, dass sie nicht glatt, sondern zerklüftet waren. Als hätte vor langer Zeit jemand Nischen hineingeschlagen.
Was ihr noch auffiel, war die Stille. Sie atmete so schwach wie möglich, aber dieses Geräusch kam ihr lauter vor als gewöhnlich. Das lag auch an der Akustik, denn hier war nichts vorhanden, was einen Laut gedämpft hätte.
So hörte sie alles - und auch das leise Plätschern!
Zuerst achtete sie nicht darauf. Es vergingen schon einige Sekunden, bis sie misstrauisch wurde, denn sie und ihr Boot bewegten sich nicht. Von ihm konnte das Plätschern nicht stammen.
Jetzt klopfte ihr Herz wieder schneller. Judy wusste, dass dieses Geräusch nicht in die Stille passte. Es war schwer, eine Erklärung dafür zu finden. Möglicherweise gab es auch keine oder eine völlig normale.
Möglicherweise waren es Tropfen, die auf die Wasserfläche schlugen und das Geräusch verursacht hatten.
Aber sie hörte kein Aufschlagen. Es war nur das Plätschern, und das hatte nichts mit Tropfen zu tun, sondern eher mit Wellen, die die Oberfläche kräuselten.
Sie schaute sich um und richtete dabei den Blick nach unten. Jetzt bewegte sich auch der Kajak und erzeugte selbst kleine Wellen. Die interessierten Judy nicht, denn sie hörte das Plätschern nicht mehr.
Dafür sah sie etwas!
Beim ersten Erkennen glaubte sie an eine Täuschung. An einen Lichtreflex, der sich auf der Wasserfläche spiegelte. Das konnte nicht stimmen, denn wohin sie auch schaute, eine Lichtquelle sah sie nicht.
Also konnte es auch keinen Reflex geben.
Aber das Licht war da.
Es befand sich auf dem Wasser oder dicht unter der Oberfläche. So genau erkannte Judy das nicht. Es war noch recht weit entfernt, etwa in Höhe der Wand, aber es bewegte sich auf sie zu. Sein Ziel war ohne Zweifel der Kajak.
Judy hielt den Atem an. Was sie hier erlebte, dafür hatte sie keine Erklärung. Waren es vielleicht helle Quallen, die sich ansonsten im Wasser verbargen?
Sie hatte keine Ahnung, wischte sich über Stirn und Augen. Schaute noch mal hin - und musste erkennen, dass dieses Leuchten nachgelassen hatte.
Es war schon ungewöhnlich, wie Judy reagierte. Sie hätte jetzt eigentlich zurückrudern müssen. Der Wille war da, nur setzte sie ihn nicht in die Tat um. Sie blieb dort, wo sie war, und suchte weiterhin die Wasserfläche ab.
Das Licht blieb verschwunden. Judy hatte es mehr als verschwommenes Funkeln wahrgenommen. Aber es war vorhanden gewesen, sie hatte sich nicht geirrt.
Und jetzt? Judy konnte sich keine Antwort auf diese Frage geben, denn das Unglaubliche setzte sich fort.
Jetzt war es kein Licht, das aus der Tiefe zu ihr an die Oberfläche stieg, dafür sah sie etwas dicht darunter und auch unter einem Wellenmuster, das sich etwas bewegte. Es war für sie nur in den Umrissen zu sehen, aber es hatte die Länge eines Menschen.
Was war das?
Judy stockte der Atem. Dann hörte sie sich leise stöhnen. Ihr kam nicht mehr der Gedanke an Flucht. Sie wollte keinen Grund für einen Angriff liefern. Wenn sie und der Kajak starr blieben, glitt die Gestalt vielleicht an ihr vorbei, und alles war wieder okay.
Noch hatte sie das Boot nicht erreicht. Das Wasser war zudem zu dunkel, um etwas Genaues zu erkennen. Judy sah nur die Konturen, und ihr kam in den Sinn, dass es sich um einen Fisch handeln konnte. Im einen sehr großen, der bedeutend länger war als ein normaler Aal.
Noch knapp einen Meter musste das Wesen schwimmen, dann hatte es das Boot erreicht.
Plötzlich tauchte es weg. Für Judy sah es aus, als würde sich der Schatten im Wasser auflösen. Sie hätte jetzt aufatmen können, doch das kam ihr nicht in den Sinn.
Starr und innerlich zitternd wartete sie ab, was in den nächsten Sekunden passierte. Sie hoffte stark, das Wesen an der anderen Seite ihres Bootes wieder auftauchen zu sehen, was nicht der Fall war. Es musste etwas anderes vorhaben.
Das merkte sie einen Gedankensprung später. Sie schrie auf, als etwas von unten her gegen den Kajak drückte und ihn leicht schwanken ließ.
Beinahe wäre das Paddel ins Wasser geglitten, weil sie es nicht mehr so hart festhielt. Zudem fürchtete sich Judy davor, über Bord zu kippen und ins Wasser zu fallen.
Das trat nicht ein, weil sich die Schwankungen des Kajaks in Grenzen hielten.
War das alles?
Judy glaubte es nicht, und sie tat recht daran, denn das andere
Weitere Kostenlose Bücher