1626 - Die Nymphe
Region führte, aus der uns eine kalte, feuchte und auch muffige Luft entgegenwehte.
Martha behielt auch weiterhin die Führung. Wir schlossen uns ihr an.
Judy May hatte ihre Hand um mein rechtes Gelenk gedrückt, um ein wenig Sicherheit zu finden.
Die Treppe war recht steil, und wir mussten auch mit unebenen Stufen rechnen, die nicht einfach zu begehen waren, aber wir schafften es. Und nicht nur Judy atmete auf, als wir die Treppe hinter uns gelassen hatten.
Auch hier unten gab es Licht, und so konnten wir uns umschauen. Die Umgebung war für mich fremd, was auch auf Judy May zutraf, denn das sah ich ihren Blicken an, die irgendwie misstrauisch waren, aber auch ängstlich. Die Lippen hielt sie zusammengepresst. Ein Zeichen, dass sie kein Wort sagen wollte.
Wir befanden uns in einem normalen Keller. Er sah nicht anders aus wie viele andere auch. Ein breiter Weg führte in die Tiefe und nach irgendwohin. Ich stellte fest, dass auch Nebengänge abzweigten.
Martha, die meinen Blick bemerkt hatte, gab mit leiser Stimme die Erklärung.
»Es sind drei Gänge, die zu den jeweiligen Kellerräumen führen. Ansonsten ist hier nichts.«
»Und wo endet der Hauptgang?«
»An einer Mauer.«
»Dann kann man diesen Keller demnach nicht durch einen zweiten Ausgang verlassen?«
»So ist es.«
»Und wo haben Sie die tote Melissa versteckt?«
Martha hatte auf diese Frage gewartet. »Kommen Sie mit, ich zeige es Ihnen.«
Nicht nur ich ging, auch Judy May setzte sich in Bewegung. Sie ging sehr steif. Ihr Gesicht zeigte einen verschlossenen Ausdruck. Es war ihr anzusehen, dass sie gegen die Beklemmung kämpfte, die sie hier überfallen hatte.
Es war keine Umgebung, in der man sich wohl fühlen konnte. Eine recht niedrige Decke, eine schlechte Luft, die schon mehr als verbraucht war und kaum noch Sauerstoff zu enthalten schien. Es war kühl, und trotzdem geriet ich ins Schwitzen, denn diese Kühle war mit einer Feuchtigkeit gesättigt, wie ich sie in Treibhäusern erlebt hatte.
Hier schwitzten die alten Steinwände. Schimmernde Wassertropfen rannen an ihnen herab. Wer nach unten schaute, der entdeckte auf dem Boden kleine Pfützen.
Judy flüsterte mir zu: »Ich habe Melissa nicht gesehen. Ich weiß nur, was man mir erzählt hat. Ich habe sie auch nicht sehen wollen.«
»Auch jetzt nicht?«
»Das ist etwas anderes. Ich bin ja nicht allein. Neben Ihnen fühle ich mich nicht schutzlos.« Sie fasste mich wieder an. »Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl.«
»Keine Sorge, das wird vergehen.«
»Meinen Sie?«
»Bestimmt.«
»Und was ist mit der Nymphe, Mr. Sinclair?«
»Was soll damit sein? Sie haben diese Gestalt gesehen.«
Wir waren stehen geblieben. Aus einem Seitengang hörten wir die Stimme der Chefin.
»Kommen Sie, wenn Sie etwas sehen wollen.«
»Ist schon klar.«
Ich ging vor. Judy hielt sich an mir fest. Ich glaubte, dass die Luft in diesem Seitengang noch schlechter war. Das Licht reichte kaum bis an die Tür, die alt aussah, die jedoch mit einem neuen Schloss versehen war, zu dem Martha einen Schlüssel hatte. Es war ein Vorhängeschloss, dessen Oberfläche matt glänzte.
Martha öffnete die Tür. Das Geräusch, als die untere Seite über den Boden schleifte, hörte sich an, als würden Fingernägel über raue Pappe kratzen.
Uns schlug wieder eine andere Luft entgegen. Mir kam sie noch verbrauchter vor, und erkennen konnte ich nichts, denn der Raum hinter der Tür war finster.
Meine Lampe konnte ich stecken lassen, denn Martha schaltete das Licht ein. Unter der Decke schaukelte eine einsame Glühbirne an einem Kabel. Sie war nicht besonders hell, doch ihr Schein reichte für diesen Raum aus.
Martha ging zwei kleine Schritte vor, sodass wir ihr folgen konnten. Sie sagte nichts mehr.
Judy May hatte mich nicht losgelassen. Nur mit dem Kontakt zu mir schien sie sich sicher zu fühlen.
Ich achtete nicht weiter auf sie, denn jetzt interessierte mich nur das, was in diesem kleinen Raum stand, der schon mehr einem Verlies glich.
Der Gegenstand befand sich direkt unter der Lampe.
Judy May und ich schauten auf einen gläsernen Sarg!
***
Martha hatte uns nicht darauf vorbereitet. Deshalb waren wir auch ziemlich überrascht. Das Glas war nicht beschlagen, so ließ es von allen Seiten einen guten Blick zu.
Ich hörte Judy schwer atmen. Sie flüsterte auch etwas, dann bekreuzigte sie sich, während Martha nichts tat und im Hintergrund wartete.
Auch ich ließ dieses Bild zunächst auf mich einwirken. Es war
Weitere Kostenlose Bücher