1626 - Die Nymphe
ich. Es liegt an meiner Person. Ich bin zwar Yard-Beamter, aber ich bekleide dort eine besondere Position. Seit einigen Jahren schon kümmere ich mich um Fälle, die die Grenzen des Normalen sprengen. Ich bin ungewöhnlichen und oft auch dämonischen Vorgängen auf der Spur, und ich kann Ihnen versichern, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, über die man nur den Kopf schütteln kann, die man zugleich allerdings hinnehmen und manchmal auch bekämpfen muss. Dafür bin ich zuständig.«
Die beiden Frauen starrten mich an, als wäre ich jemand von einem anderen Stern. Martha versuchte zu lächeln, was ihr misslang. Sie schüttelte den Kopf und sagte dann: »Ich denke, dass wir Ihnen wohl glauben müssen, auch wenn es uns schwerfällt.«
»Das sollten Sie. Wenn Sie meine Worte überdenken, dann hat sich der Astralleib der Toten genau aus diesem Grund an mich gewandt. Melissa wollte oder will retten, was noch zu retten ist, denn die Gefahr ist bereits unterwegs. Aibon hat wieder eine Lücke gefunden, und ich rechne damit, dass seine dämonische Seite auf dem Vormarsch ist.«
Das war für beide Frauen nur schwer zu fassen. Ich erkannte es an ihren Blicken. Sie wollten meine Worte erst mal überdenken, die Zeit ließ ich ihnen.
Judy traute sich, die erste Frage zu stellen. Sie schaute dabei auf ihre Knie. »Wissen Sie denn schon, was wir dagegen unternehmen können? Und wie wir uns retten?«
»Nicht genau. Aber es gibt eine Möglichkeit, denke ich.«
»Ja?«
Ich lächelte, bevor ich sagte: »Es ist wirklich wichtig, dass ich Kontakt mit Melissa bekomme. Ich habe ihren Astralleib erlebt, jetzt möchte ich sie als Tote sehen, die nicht verwest ist.«
Der Vorschlag war eine Folge dessen, was ich erlebt hatte. Aber er wurde nicht unbedingt angenommen, zumindest von Martha nicht, denn sie fragte: »Was haben Sie mit Melissa vor?«
»Ich möchte sie sehen.«
»Das sagten Sie schon. Bringt Sie das weiter?«
»Ich hoffe es. Zumindest ist es besser, als hier nur herumzusitzen. Oder meinen Sie nicht auch?«
Überzeugt hatte ich die Frau noch nicht, denn sie stimmte nicht zu. Wie brütend saß sie auf ihrem Platz. Man sah ihr an, dass sie nachdachte, aber sie bekam nichts auf die Reihe, denn ihr fehlten einfach die Gegenargumente.
»Können Sie uns sagen, was Sie mit Melissa genau vorhaben, Mr. Sinclair?«
»Nein, das muss die Situation ergeben. Aber nach allem, was Sie von mir gehört haben, sollten Sie mir schon vertrauen. Ich stehe auf Ihrer Seite. Auch wenn Ihnen das schwerfällt zu glauben. Aber es ist so. Glauben Sie mir.«
Auch Judy mischte sich ein. Sie bat Martha inständig, meinem Vorschlag doch zuzustimmen.
Martha stand auf. Sie war mit ihren Überlegungen noch nicht fertig. Sie ging zum Fenster und schaute ins Freie. Etwa eine Minute verging, dann drehte sie sich um, weil sie einen Entschluss gefasst hatte. Ihr Gesicht sah dabei hölzern aus.
»Ja, Sie haben mich zwar nicht überzeugt, Mr. Sinclair, aber ich stimme Ihnen trotzdem zu. Lassen Sie uns gehen und der toten Melissa einen Besuch abstatten!«
Ich lächelte und freute mich darüber, dass der Bann endlich gebrochen war…
***
Von Martha wusste ich, dass Melissa im Keller des Hauses untergebracht worden war. Dorthin führte uns der Weg. Auch Judy May hatte sich uns angeschlossen. Sie hielt sich dicht an meiner Seite, als fühlte sie sich dort besonders sicher.
Wir bewegten uns in einen Hintergrund des Hauses, in dem es recht dunkel war. Erst als Martha das Licht anknipste, sahen wir die braune Holztür vor uns. Sie war unser Ziel.
»Sind Sie schon mal unten im Keller gewesen?«, fragte ich Judy.
»Nein, nicht dort. Das hat Martha nicht erlaubt.«
»Klar.« Ich drehte mich um. »Es ist hier so ruhig und es kommt mir vor, als wäre das Haus nicht bewohnt.«
»Das täuscht. Die Bewohnerinnen sind in ihren Zimmern oder auch unterwegs.«
Ich kam nicht mehr dazu, nachzufragen, denn Martha hatte einen Schlüssel hervorgeholt. Sie steckte ihn in das Schloss der Tür und drehte ihn. Danach richtete sie sich auf und warf einen Blick zurück. »Die Tür ist jetzt offen. Wir können gehen.«
»Okay.« Ich war locker. Nicht so Judy May. Sie stand neben mir und atmete schwer. Ich beruhigte sie und erklärte, dass es bestimmt nicht so schlimm sein würde wie in der Höhle am Wasser.
»Das hoffe ich.«
»Können wir?«
Ich nickte Martha zu, die das Licht einschaltete. Die Helligkeit breitete sich auf den Stufen einer Steintreppe aus, die in eine
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