1627 - Panik
geworden war. Er hatte sein linkes Bein ausgestreckt und beide Hände auf die Wunden am Oberschenkel gepresst. Dort, wo die Kugel im Muskel steckte, zeigte sich kein Blut. Anders sah es bei der Streifschusswunde aus. Da war der Hosenstoff nass geworden.
Brookman selbst schien die Verletzung nicht viel auszumachen.
Jedenfalls jammerte er nicht. Dafür erregten Suko und ich mehr sein Interesse. Von seiner Position aus schaute er zu uns hoch und hatte dabei einen skeptischen Ausdruck in den Augen, weil er sich einer bestimmten Sache nicht sicher zu sein schien.
»Ihr seid keine Monster, oder?«
Ich lächelte. »Das sind wir nicht. Oder sehen wir vielleicht so aus?«
Er schloss für einen Moment die Augen. »Wissen Sie, nach dem, was ich erlebt habe, traue ich keinem mehr.«
»Monster sind wir wahrlich nicht«, präzisierte ich. »Wir jagen sie nur. Als Mitarbeiter von Scotland Yard.«
Brookmans Skepsis blieb. »Jagen?«
»Genau.«
»Wie denn? Ein Phantom? Jagen Sie Monster, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt?«
»Ja und nein. Sie haben sie gesehen - oder?«
Brookman stöhnte. »Hören Sie auf, Mister. Ja, ich habe sie gesehen. Sie haben mich verfolgt. Und sie haben mir Dinge gezeigt, die einfach furchtbar waren. Da befanden sich Menschen in ihrer Gewalt. Sie wurden gefoltert und dann getötet. Ich durfte sogar zuschauen. Man will mich fertigmachen.«
»Und wer ist das?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
Suko war zur Seite gegangen. Er telefonierte und bestellte einen Arzt.
Viel Zeit hatte ich nicht mehr, um etwas herauszufinden. Ich hoffte, von Brookman Informationen zu bekommen.
»Abel Suharto?«
Ich hatte den Namen kaum ausgesprochen, da wurde der Verletzte starr.
Er dachte wohl an Sir Powells Anruf, sagte nichts, dachte aber wieder daran, dass er und sein Kollege Paul auf einer eintägigen Tagung gewesen waren.
»Da haben Sie dann den Vortrag gehört?«
»Ja, das war eine Sache über psychologische Verhaltensregeln bei Katastrophen.«
»Und wie schätzen Sie den Redner ein? Welche Erinnerung haben Sie an ihn?«
Brookman verzog das Gesicht. Auch wenn er es offen nicht zugab, er litt schon unter Schmerzen. Allzu lange würde ich ihn nicht mehr befragen können.
Er antwortete trotzdem. »Dieser Mensch kannte sich aus, das ist mir klar. Er hatte auch etwas an sich, das man nur schlecht beschreiben kann.«
»Versuchen Sie es bitte trotzdem.«
Lange musste er nicht nachdenken. »Ja, ich möchte da von einem Charisma sprechen. Das allerdings im negativen Sinn. Ich habe mich gefühlt wie unter einem starken Druck. Ich hatte manchmal den Eindruck, in seinen Bann zu geraten. Woran es lag, weiß ich nicht. Es kann seine Stimme gewesen sein, aber auch seine Gestik. Er war sich jedenfalls seiner Sache ungewöhnlich sicher.«
Ich wollte keine Einzelheiten wissen. Was ich gehört hatte, reichte mir schon. Dafür stellte ich eine andere Frage. »Was wissen Sie noch über ihn?«
»Nichts.«
»Auch nicht, wo er wohnt? Oder wo man ihn finden könnte?«
»Wo denken Sie hin? Ich weiß nicht mal, wer ihn engagiert hat. Aber Sir Powell von Ihrer Organisation war ja auch anwesend. Er rief mich an und warnte mich. Ich hätte nie geglaubt, dass das eintreten würde, vor dem er mich warnte.«
Ich nickte. Viel weiter gekommen war ich nicht. Der Arzt würde auch bald eintreffen. Dann konnte ich nichts mehr erfahren.
Zuschauer hatten wir schon. Einige der Männer, die wir auf dem Hof gesehen hatten, waren ins Haus gekommen und schauten aus der Entfernung zu. Suko stand bei ihnen und musste sie beruhigt haben.
Ein Handy meldete sich. Ein leicht aggressives Klingeln, der alten Glocke eines Telefons nachgeahmt. Das war weder Sukos noch mein Apparat, sondern Dale Brookmans. Erst nach einigen Sekunden wurde ihm dies bewusst.
Er holte das flache Gerät aus der Innentasche hervor und klappte es auf.
»Ja?«
Ich ließ ihn nicht aus dem Blick. Deshalb sah ich auch, dass er zusammenzuckte, als er die Stimme des Anrufers vernahm. Diese Reaktion war zunächst die einzige, denn anschließend hörte er nur noch zu. Er flüsterte etwas und stöhnte auf, weil die Nachricht so schlimm sein musste.
Schließlich meldete er sich mit einer etwas lauteren Stimme, und das bekam auch ich mit.
»Okay, Carl, du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde alles tun. Ja, ich komme.«
Carl?, schoss es mir durch den Kopf. Hatte er mit seinem Kollegen Carl Ersting telefoniert? Die Frage stellte ich ihm, und er schaute mich mit einem Blick
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