1627 - Panik
einen kühlen Luftstrom zu spüren, der seine Stirn erreichte. In diesem Kabuff war es einfach zu stickig gewesen. Er öffnete die Tür noch weiter und warf einen ersten Blick in den Gang.
Hätte er dort draußen gestanden und sich selbst angeschaut, so hätte er die Hälfte des Gesichts eines Mannes gesehen, in dessen Zügen die Furcht wie eingemeißelt stand.
Noch immer gab es diese höllische Angst. Allerdings war die Panik abgeflacht.
Er sah nichts, was ihn beunruhigt hätte. Der Gang war leer. Niemand war ihm gefolgt, was er verstehen konnte. Durch seine Reaktionen musste er die Männer völlig verstört haben.
Gehen oder bleiben? Diese Frage beschäftigte ihn, und eine Antwort konnte er sich nicht geben, denn plötzlich jagte das Angstgefühl wieder in ihm hoch. Das hatte nichts mehr mit einer normalen Angst zu tun, das war schon Panik.
Er warf sich wieder zurück, schloss dabei die Tür, und schrie bei jedem Atemzug leise auf.
Und dann sah er die Bilder!
Es war grauenhaft. Völlig neue Szenen. Schaurige Gestalten, die aus uralten Grüften gestiegen sein mussten und den Pesthauch der Hölle mit sich brachten. Er nahm den Geruch wahr, der süßlich roch wie Veilchenduft, aber zugleich das widerliche Aroma der Verwesung mit sich brachte, das ihn würgen ließ.
Die Gestalten wollten nicht weichen. Sie sorgten dafür, dass seine Angst noch mehr zunahm, denn sie waren nicht allein. Sie zogen zappelnde Menschen hinter sich her, bewegten ihre Mäuler, als würden sie auf Fleisch kauen, und erreichten ein Ziel, das aussah wie ein rundes Rasenstück und vom Licht eines roten Vollmonds beschienen wurde, sodass der Boden aussah, als wäre er mit Blut beschmiert.
Dort hielten die Gestalten an. Erst jetzt zählte er sie. Es waren vier, die aussahen wie schwarze Gespenster. Jeder von ihnen hatte einen nackten Menschen hinter sich hergezogen, den er jetzt in die Höhe zerrte, ihn an den Haaren festhielt und mit der freien Hand jeweils ein Messer hervorholte.
»Nein!« Das Wort verwandelte sich in ein Röcheln, als Brookman es aussprach.
Er wollte das Schreckliche nicht sehen und schloss die Augen.
Die Bilder blieben!
Die andere Seite war gnadenlos und Brookman bekam alles haarklein mit. Auch wie die Opfer, die alle ein rotes Band um die Kehle trugen, auf den Boden fielen.
Die Mördergestalten hoben die Messer und ihre Köpfe. Fahle Gesichter und leere Augenhöhlen glotzten Brookman an, der nur noch winselte und langsam in die Knie sank und in einer hockenden Stellung sitzen blieb.
Es war zu viel für ihn gewesen. Die Panik schüttelte ihn durch, er konnte den schrecklichen Bildern nicht entgehen.
Plötzlich waren sie weg. Und das so schnell, wie sie auch über ihn gekommen waren. Nichts war mehr von diesem Grauen zu sehen.
Brookman öffnete die Augen.
Dunkelheit umgab ihn. Er sah dicht vor sich etwas Helles. Es war der Abdruck des Schlüssellochs, durch das Licht aus dem Flur in die Kammer sickerte.
Das imaginäre Grauen war vorbei. Viel wohler fühlte sich Dale Brookman aber nicht. Noch immer hockte er in dieser stockfinsteren Kammer und kam sich vor wie in einem Knast, wo man ihn in eine Einzelzelle gesteckt hatte, um dort zu verrecken.
Der Vergleich traf nicht zu. Ihm war es möglich, die Kammer zu verlassen. Momentan war die Zeit günstig. Der Schrecken war vorbei, und seine Angst war längst nicht mehr so stark. Er wollte wieder ins Freie und vor allen Dingen ans Licht.
Brookman stand auf.
Auch jetzt bebte er noch am ganzen Körper. Es war ihm unmöglich, seine Hände ruhig zu halten. Er widerstand der Versuchung, den Schritt nach vorn zu gehen und die Tür heftig aufzuziehen. Zunächst wollte er wieder in den Flur schauen und sehen, ob die Luft rein war.
Seine Hand lag bereits auf der Klinke, als er zusammenzuckte und innehielt.
Er hatte etwas gehört.
Stimmen! Männerstimmen. Zwar recht leise, aber doch deutlich zu verstehen.
Was sollte er tun? Kamen sie jetzt, um ihn zu holen? Waren sie jetzt nicht mehr fiktiv, sondern existent? Wenn das stimmte, dann war sein Ende nah. Aber er wollte nicht sterben. Nicht auf diese Art. Seinen Tod hatte er sich immer anders vorgestellt.
Plötzlich fiel ihm wieder seine Waffe ein. Er hatte sie zurück in den Hosenbund gesteckt, ohne es richtig wahrgenommen zu haben. Als er sie mit der Handfläche berührte, tat ihm die Kühle des Metalls gut. Sie gab ihm sogar für einen Moment Sicherheit.
Er beugte sich wieder vor. Jetzt drückte er sogar sein rechtes Ohr
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