1629 - Die blaue Schlange
kommt für jeden von uns das Ende", erwiderte er und griff tröstend nach ihrer Hand. „Es mußte nicht auf diese Weise sein."
Er lächelte müde. „Wir können es uns nicht aussuchen."
„Ich weiß nicht, wie es geschehen konnte", gestand sie. „Meine Leute haben mir gesagt, daß sie das ganze Haus und den Park mit allen seinen Einrichtungen untersucht haben. Sie konnten nicht klären, wie Saudra ins Haus kommen und alle Alarmeinrichtungen überwinden konnte. Sie muß über uns noch vollkommen unbekannte Mittel verfügt haben, mit denen sie den Haussyntron und alle Peripheriegeräte aufs Kreuz gelegt hat."
„Früher oder später wirst du es herausfinden", versuchte er, ihr Mut zu machen. „Laß uns jetzt nicht davon reden. Mir ist eine andere Frage wichtiger."
Er hatte Mühe zu sprechen und mußte immer wieder Pausen einlegen, um seine Sätze zu vollenden. Einige Male mußte er seine Worte wiederholen, Weil er zu leise oder zu undeutlich gesprochen hatte, so daß sie ihn nicht verstehen konnte. „Was ist dir wichtig, Vater?"
„Als ich allein mit Saudra war, hat sie behauptet, daß nicht sie mich vergiftet hat, sondern du."
Seine Besucherin richtete sich ruckartig auf. „Das ist eine Lüge!"
„Wirklich?"
„Ich schwöre es dir bei allem, was mir heilig ist, Vater." Sie legte die Hände zum Schwur aneinander. „Ich habe dich nicht vergiftet. Ich habe nie etwas unternommen, was dir schaden könnte. Ich liebe dich!"
„Ich danke dir."
Erschöpft schloß er die Augen, und es dauerte lange, bis er die nächste Frage stellte. „Wer bist du?"
„Alnora!"
„Ich fühle, daß du es wirklich bist", flüsterte er. „Aber kannst du es beweisen?"
Sie zögerte keine Sekunde. Sie erhob sich und streifte ihre Hose herunter. Dann zeigte sie auf ihren Oberschenkel, auf dem sich eine kleine, Weiße Narbe abzeichnete. Sie war leicht gezackt. „Weißt du, was das ist?"
„Natürlich, Alnora." Tadar Deponar lächelte erleichtert. Eine ungeheure Last war von ihm gewichen. „Saudra hat dich verletzt, als du noch ein Kind warst und an einem sportlichen Wettbewerb teilgenommen hast."
„Sie hat mir ein Schmuckstück in Form einer blauen Schlange ins Bein geschossen."
Der letzte Zweifel war gewichen. Jetzt wußte Deponar, daß seine geliebte Alnora überlebt hatte. „Ich werde ein Transplantat erhalten, das mein Gesicht vollkommen verändern wird", erklärte sie. „Danach werde ich keine Ähnlichkeit mehr mit der Mörderin haben."
Er griff nach ihrer Hand. „Ich sterbe", flüsterte er. „Deshalb wird es Zeit, dir die Wahrheit über dich und deine Herkunft zu sagen."
Jetzt endlich berichtete er ihr, was geschehen war, und sie hörte ruhig zu. Einige Male nickte sie gelassen und bemerkte, sie habe sich so etwas Ähnliches bereits gedacht. „Es gibt nur noch eine Klonschwester von dir", schloß er. „Sie heißt Henna Zarphis, und ich will, daß sie lebt."
„Ich verspreche dir, sie zu beschützen", erwiderte sie. „Ich werde über sie wachen und mich ihr vielleicht eines Tages zu erkennen geben. Bis dahin werde ich die Blaue Legion weiter aufbauen und ausweiten. Sie wird im Dienste unseres Volkes arbeiten und sich gegen unsere Feinde wenden."
Der Sterbende blickte Alnora an, und er erfaßte, daß sie ihrer Schwester Saudra gar nicht einmal so unähnlich war. Im Gegensatz zu ihr verstand sie es jedoch, ihre Aggressionen zu beherrschen und in die von ihr gewünschten Bahnen zu lenken.
Sie hatte sie beim Sport abgebaut, wenn dies nötig war, und sie würde sie nun zum Wohl ihres Volkes einsetzen.
Tadar Deponar fragte sich, wie sich Henna entwickelt hatte.
War sie Herrin ihrer Aggressionen? Schlummerte das Böse auch in ihr? Vermochte sie, es zu unterdrücken, oder ließ sie ihm unkontrolliert freie Bahn, so wie Saudra es getan hatte?
Er würde es nie mehr erfahren. „Du wirst mir fehlen, Vater", sagte sie leise, als er die Augen schloß, um sie nicht wieder zu öffnen.
Gendal Jumphar, der in den vergangenen Tagen nicht im Akon-System gewesen war, kam zu spät in die Klinik. Als er eintraf, war der Freund schon tot.
Einige Tage später konnte Alnora die Klinik bereits verlassen, um an der Bestattung von Tadar Deponar teilzunehmen. Sie sah nun vollkommen verändert aus. Das Transplantat nahm ihr jegliche Ähnlichkeit mit ihrer Schwester Henna. Ihr Teint war etwas heller als die samtbraune Haut ihres Körpers. Ihr Gesicht wirkte hart, und die kleinen, braunen Augen waren leicht geschlitzt. Sie wollten
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