163 - Der Flaschenteufel
stärker, als er gedacht hatte, und kämpfte ständig gegen seine Magie an. Aber sie hatte schließlich doch keine Chance. Er hatte sich über sie informiert und wußte, wie er sie behandeln mußte, die letzte der Zamis-Sippe aus Wien. Sie aber wußte nichts über ihn, und das war sein großer Vorteil.
Sie mußte sterben. Denn sonst würde sie ihn töten, das war ihm völlig klar. Sie war seine erklärte Feindin, denn er war dämonisch, schwarzmagisch.
Das Zukunftsbild, das er gesehen hatte, durfte nicht Wirklichkeit werden. Angelina hatte ihn zwar im Stich gelassen, aber jetzt hatte er die Hexe in seiner Gewalt, und auf seinen Schützling Akhamoud würde kein Verdacht fallen. Akbar kicherte in seinem Behältnis. Akhamoud, sein einstiger Herr und jetziger Sklave, sein Werkzeug, hob die Hände. Das lähmende Feuer floß daraus hervor, um die Hexe zu töten.
Akbar kreischte triumphierend. Der magielose Zustand, den er befürchtet hatte, war nicht eingetreten! Er konnte die Hexe vernichten, aber sie nicht ihn!
Im gleichen Moment setzte der in seiner Zukunftsvision vorhergesehene magielose Zustand ein!
Von einem Moment zum anderen konnte Coco sich wieder bewegen. Die fremde Kraft floß von ihr ab, wie ein zäher Brei. Akhamoud schrie. Er krümmte sich zusammen und stöhnte. Mit einem Sprung war Coco bei ihm. Sie fühlte sich selbst magisch taub. Sie begriff, was das bedeutete. Magieloser Zustand!
Sie hatte nicht damit rechnen können, daß so eine Phase ausgerechnet jetzt und ausgerechnet hier eintrat. Unga und Dorian hätten es vielleicht mit Hilfe der Bücher des Hermes Trismegistos berechnen können. Aber niemand hatte es getan, niemand hatte davon gewußt.
Aber dieser Zustand kam Coco jetzt zugute.
Akhamoud, Akbars Medium, war hilflos. Die Kraft des Flaschenteufels hatte ihn jäh verlassen. Aus den Höhen der Macht war er innerhalb weniger Sekunden in die Tiefen der Machtlosigkeit gestürzt. Er war jetzt nur ein ganz normaler Mensch, und er war dazu auch noch desorientiert.
„Wo ist Akbar?" keuchte Coco. „Sprich, oder ich töte dich!"
„Nein", murmelte Akhamoud. „Das - das darfst du nicht…"
„Wenn du dein Leben retten willst, dann zeige mir den Weg zu Akbar!
Wo finde ich ihn? Sprich!" Sie ließ ihn nicht im Zweifel darüber, daß sie ihre Drohung wirklich wahrmachen würde. Ohne seinen starken Helfer im Hintergrund war Akhamoud verloren und feige. Er zitterte vor Furcht. Er begriff nicht, wieso Akbar ihn ausgerechnet in diesem Moment des Triumphes im Stich ließ, er begriff nicht, was ein magieloser Zustand war, weil er niemals davon gehört hatte. Aber er hatte Akbars aufflammende panische Angst und Hilflosigkeit gespürt, als die Kräfte schwanden, und er wußte, daß Akbar ihn jetzt nicht unterstützen konnte. Das also, begriff er, war es, wovor sich Akbar gefürchtet hatte, weshalb er so dringend Akhamouds Hilfe brauchte. Eine Hilfe, die der Scheich ihm jetzt doch nicht geben konnte.
Akhamoud kapitulierte vor dieser jungen Frau!
Er begriff die Natur des magielosen Zustandes nicht. Er erkannte nicht, daß sie ebenfalls davon betroffen war. Er glaubte, daß sie ihn jetzt ihrerseits schlagartig mit Hilfe ihrer Magie töten konnte, und er traute ihr zu, daß sie es tat. Denn daß sie magisch befähigt war, das hatte ihm Akbar verraten, und das hatte er selbst gespürt, als er Akbars Werkzeug war und die Kraft des Flaschengeists ihn durchströmte und ausfüllte.
Seine Existenz konnte er nicht mehr retten. Ohne Akbar war er ein Nichts, ein Niemand. Aber er konnte sein Leben retten. Von dem Nomadenjungen Mahmed Akhamoud, der die Liebe des Mädchens Ahsali Refyik gewonnen hatte, war nichts mehr in ihm. Das Zusammensein mit Akbar hatte ihn völlig verändert und auf die Bahn des Bösen gebracht.
Zum Bösen und zur Feigheit aber gehörte der Verrat.
Um sein eigenes Leben zu retten, war er bereit, Akbar zu opfern. Vielleicht erkannte er auch tief in seinem Innern schwach die letzte Chance, die sich ihm bot, die Trennung von Akbar hervorzurufen - die Trennung, die er doch andererseits gar nicht wollte!
Oder nicht wollen durfte…?
Er taumelte vor der Hexe her, wies ihr den Weg zu dem geheimen Raum, den niemand außer ihm jemals hatte betreten dürfen. Vor den Schlössern lehnte er sich mit flackernden Augen an die Wand. „Öffne", herrschte Coco ihn an.
Aus den unzähligen Falten seiner Gewandung zauberte Akhamoud die Schlüssel hervor und entriegelte die Schlösser eines nach dem anderen.
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