1631 - Die Taiga-Göttin
Scheiben war nichts zu sehen, und es brannte auch kein Licht.
Erklären musste er Helen trotzdem einiges. Jetzt wollte er dafür sorgen, dass der Hund hier wegkam, und er hatte schon eine Idee.
An einer Hausseite stand eine Regentonne. Da in der letzten Zeit nicht nur die Sonne geschienen hatte, war sie mindestens bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt.
Ein guter Platz, um den Kadaver loszuwerden.
Er hob das Tier an. Es war irgendein Mischling und nicht besonders schwer.
Auf seinen Armen schon, und als er es angehoben hatte, da schimmerte auf dem Boden das weiße Erbrochene, das aus dem offenen Maul geflossen war.
Igor Sarow ging davon aus, dass der Hund zuvor vergiftet worden war.
Danach hatte man ihm die lange Nadel in den Körper gerammt, die den Zettel festhielt.
Er schaffte das Tier zur Regentonne.
Sie war offen, der Deckel lag daneben.
Es klatschte, als der starre Körper die Wasserfläche berührte und sofort versank.
Rasch hob Sarow den Deckel hoch und drückte ihn auf das Unterteil.
Erst jetzt war er zufrieden, und über seine Lippen huschte ein Lächeln.
Inzwischen hatte sich die Helligkeit immer weiter ausgebreitet.
Es gab klare Umrisse, nichts war mehr verschwommen.
Auch hinter einigen Fenstern der anderen Häuser brannte jetzt Licht.
Die Menschen standen langsam auf und machten sich für ihre Arbeit fertig.
Wer hier wohnte, der hatte einen Job, und zwar einen gut dotierten.
Igor Sarow, der Mann mit den dunkelblonden Haaren und dem Bart auf der Oberlippe näherte sich der Haustür. Von Helen war weder etwas zu hören, noch zu sehen.
Auch als er in den Flur ging, kam ihm seine Frau nicht entgegen.
Dennoch blieb er misstrauisch. Frei fühlte er sich beileibe nicht.
Der Druck war nach wie vor vorhanden, und er blieb plötzlich stehen, als er an der Küchentür stand.
Sie war nicht mehr geschlossen.
Und schon hörte er die Stimme seiner Frau.
»Ich denke, du hast mir etwas zu sagen, Igor…«
***
Eine Viertelstunde später.
Vor Igor Sarow stand eine leere Flasche Wasser, und er hatte eine Beichte hinter sich. Den Blick seiner Frau konnte er nicht vergessen. Sie hatte nicht viel gesagt, ihn aber auch nicht aus den Augen gelassen.
Igor kam sich vor wie ein kleiner Junge, der seiner Mutter etwas gebeichtet hatte. Nur war seine Beichte schlimm gewesen, schlimmer für seine Frau als für ihn.
Helen nickte ihm zu. Sie sah traurig aus. »Und was erwartest du jetzt von mir?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir uns bestimmten Dingen stellen müssen. Ich will nicht, dass ihr es tut, sondern nur ich.«
»Tja.« Sie hob die Schultern. »Hättest du mir nicht viel früher sagen können, was damals passiert ist?«
»Das hätte ich.«
»Und warum hast du es nicht getan?«
»Das will ich dir sagen. Ich hatte es schon wieder vergessen. Das war für mich damals mehr ein Scherz. Wer glaubt denn schon an eine Göttin?«
»Taiga-Göttin hast du sie genannt.«
»So hieß oder heißt sie. Ich hätte nie geglaubt, dass man das so ernst nehmen würde. Wir haben damals geschworen, dass wir der Göttin für immer die Treue halten. Wir wollten durch sie Macht und Einfluss erlangen, und uns geht es ja nicht schlecht.«
»Das ist wahr. Aber machst du dafür den Einfluss der Göttin verantwortlich?«
»Eigentlich nicht. Mir kam nur der Gedanke.«
»Was war denn so Besonderes an dieser Göttin?«
Igor sah seine Frau länger an. »So genau weiß ich das auch nicht mehr.«
»Denk nach.«
Er winkte ab. »Das hat doch alles keinen Sinn. Es ist einfach zu lange her.«
»Ja, mein Lieber, das ist es. Alles ist sehr lange her. Aber jetzt hast du es mit den Folgen zu tun, denn andere Menschen haben es offensichtlich nicht so locker genommen wie du. Das ist das Problem. Du musst jetzt die Zeche bezahlen. Was hat euch an dieser Taiga-Göttin überhaupt so fasziniert?«
»Es war ihre Macht.«
»Ach…?«
»Ja, eine besondere Macht. Keine körperliche, sondern eine geistige. Man sollte sich verändern. Man sollte eins mit der Natur werden und den großen Durchblick bekommen. Auf uns sollte ein Teil ihrer Macht übergehen. Und das hat uns fasziniert.«
»Ist es das denn?«
Er schüttelte den Kopf. »Zumindest nicht sichtbar. Ich weiß nicht, ob unser Treffen damals Erfolg gehabt hat. Das kann alles sein, muss aber nicht.«
»Und ihr habt an die Göttin geglaubt?«
»Damals schon. Wir wollten an ihrer Macht teilhaben.«
»Das habe ich verstanden. Aber wie sollte das vor sich gehen? Habt ihr eine
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