1635 - Schach der Blauen Schlange
Vibroäxten in den Stein getrieben und noch ohne jede Einrichtung. Der Rest der Gefangenen wußte bereits, worum es ging. Sie verteilten sich und setzten ihre Äxte an. Corto, Ronac, Fhem und den anderen Neuen wurde unmißverständlich; bedeutet, was sie zu tun hatten: Sie rüsteten sich ebenfalls mit Äxten aus und begannen, in mühsamer Handarbeit Teile der Wand abzutragen. Der entstehende Schutt wurde von Lorenwagen abtransportiert. „Was soll das ganze hier?" fragte Corto so leise, wie es ging. „Sie könnten die Arbeit doch von Robotern viel schneller ausgeführt haben."
„Wir glauben", erklärte Moran Rautar, „daß es für die Akonen ein psychologisches Problem ist. Sie nehmen jede Gelegenheit wahr, sich selbst als befähigte Herrenrasse darzustellen. Hauptsächlich für sich selbst, weil sie dafür im Galaktikum nur Hohn und Spott ernten würden. Deshalb diese Sklavenarbeit - weil es ihre Stimmung hebt und weil sie es schon immer so gemacht haben."
„Diese Akonen sind reif für den Psycho-Tank!"
„In der Tat, Corto."
Mehr als sechs Stunden lang vergnügte er sich damit, mit einer Vibroaxt Felsenstücke aus einer endlos dicken Wand zu schlagen. Anfangs half ihm noch die geringe Schwerkraft, seinen Rhythmus zu halten, doch nach einer Weile setzte Ermüdung ein. Corto Horrigan begann, erste Anzeichen von Kraftlosigkeit zu verspüren. Am liebsten wäre er auf der Stelle zusammengebrochen; geschlafen hätte der Gnom notfalls sogar im Geröll. Die echten Szal-Miener jedoch schufteten wie Tiere.
Sie waren es gewöhnt, den ganzen Planetentag über schwer zu arbeiten, und im Gegensatz zu Corto waren bei ihnen sämtliche Muskelstränge echt, nicht nur Maske. „Corto!" wisperte in seinem Ohr die Stimme der Siganesin Syla Poupin. „Schläfst du etwa ein?"
Erst jetzt fiel ihm auf, daß die Frequenz seiner Schläge um die Hälfte gesunken war, daß er mit offenen Augen vor sich hin starrte und kaum noch wußte, was er tat. „Nein, nein ...", murmelte er. „Corto! Wach auf. Moran und ich möchten dir einen Vorschlag machen!"
„Einen Vorschlag? Welchen denn? Wollt ihr eine Funknachricht an die DAORMEYN absetzen?"
„Nein. Viel zu gefährlich. Statt dessen versuchen wir, unauffällig aus unseren Verstecken herauszukommen. Dann sehen wir uns die Station einmal näher an. Auf Siganesen sind sie hier nie und nimmer vorbereitet!"
Mit einemmal war er wieder hellwach. „Das stimmt wohl.
Kunststück, wo es nur noch 700 von euch gibt. Okay, Syla und Moran, wie machen wir es? Denkt an die Roboter! Ihr könnt nicht die Aufmerksamkeit von Maschinen ablenken. Sie sehen euch totsicher, wenn ihr hinausklettert."
„Erstens haben wir Deflektoren, Corto! Die möchten wir aber nicht einsetzen, solange es sich vermeiden läßt. Das Ortungsrisiko ist hoch. Zweitens haben wir ausgerechnet, daß der Lorenwagen für die Trümmer in ungefähr zehn Minuten an dieser Stelle vorbeikommt. Dann sind wir für fünf Sekunden im toten Winkel. Genau die Spanne, während der die Roboter uns nicht beobachten können."
„Warum blendet ihr sie nicht syntronisch, so wie die Maschinen im Fremdenhaus?"
„Weil wir befürchten, daß diese Einheiten im Mikrosekundenrhythmus vom Zentralrechner abgefragt werden. Das wäre eine knifflige Angelegenheit. Je leichter wir hier herauskommen, desto besser."
„Jetzt verstehe ich!" Er mußte sich beherrschen, um vor plötzlicher Begeisterung nicht laut zu reden. „Ihr klettert in fünf Sekunden aus euren Verstecken, und dann hängt ihr euch an die Lore an! Richtig?"
„Korrekt. Warte ab und 'laß dir nichts anmerken."
Corto Horrigan rammte in entnervender Regelmäßigkeit seine Vibroaxt gegen die Wand aus Stein. Die Wucht war so groß, daß man damit sogar Geräte aus Metall hätte zerstören können.
Aber hier gab es keine Ziele; bis auf die Roboter, und die konnten sich bestens wehren.
Zehn Sekunden, neun ... Jetzt. Er spürte die Bewegung unter seinen Achseln. Aus den Augenwinkeln sah er zwei grüne Schemen durch die Trümmer huschen. Bevor er noch mit dem Kopf herumrucken konnte, verschwanden sie bereits an der Lore, ohne eine Spur zu hinterlassen. „Viel Glück, ihr beiden ... Laßt euch nicht erwischen!"
Den Verlauf der nächsten Stunden nahm er bewußt nicht mehr wahr. Achtzehn Stunden, schätzte er, solange hatte er gearbeitet. Als man ihn und die anderen ins Gefängnis zurückführte, hatte er gerade noch Zeit, seine Notdurft zu verrichten. Daß sein Kot anders aussah und roch als
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