1637 - Gefangene der Zeit
Mann in der Mitte der dampfenden Scheibe. An den Rändern begann das Nichts. Oder eine andere Existenzebene, das wahre Universum oder irgendeine andere Parawelt. Wahrscheinlich gab es „dahinter" aber nichts, denn der Mann hatte nichts erzeugt, was „dahinter" sein sollte.
Der Mann öffnete seine Augen und faltete langsam die gekreuzten Beine auseinander. Er fuhr sich mit einer Hand über das kurze, millimeterlange schwarze Stoppelhaar. Seine Schutzkombination ermöglichte es ihm ohne zusätzliche Maßnahme, daß er mit der ebenfalls in einem Schirmfeld liegenden Hand durch die Energiekugel fassen konnte, die seinen Kopf umschloß.
Die großen, braunen Augen starrten völlig ausdruckslos in eine nicht existierende Ferne. Die Mimik des Mannes verriet Ernst. Der schmallippige Mund formulierte drei Worte mit klarer, heller Stimme: „Nicht meine Welt!"
Es war niemand da, der das hören konnte.
Der Mann erhob sich und sammelte die Gegenstände ein, die aus dem Tragebeutel gefallen waren. Er hängte sich die Tasche über eine Schulter. Die Funkgeräte, die er wohl nie mehr brauchen würde, schaltete er ab.
Sein Schicksal war ihm bewußt. Und auch die Aussichtslosigkeit seiner Lage. Aber er haderte nicht mit sich oder den höheren Mächten. Er hatte es selbst so gewollt. Er hatte gewußt, was ihm widerfahren konnte.
Diese Miniaturwelt ohne Charakter hatte er selbst verursacht.
Wahrscheinlich hatte sein Unterbewußtsein diesmal die Kraft des Ki gelenkt, um einen Platz zu finden, an dem er von allen Einflüssen abgekapselt war. Doch nun hatte er erkannt, daß die Einsamkeit ihm nicht half. Er beherrschte die Kräfte des Ki nicht mehr so wie früher. Das hatten auch die Haluter zu spüren bekommen. Der schweigsame Nakk mit seinen 5-DSinnen hatte es sicher auf seine Weise auch längst festgestellt.
Der einsame Mann wußte, daß er versagt hatte. Er plagte sich nicht mit Selbstvorwürfen. Er suchte nach einem Ausweg.
Die Erinnerung war frisch.
Paunaro, der Nakk, hatte in der Nähe des Hyperdim-Attraktors eine Raumzeitfalte erschaffen. Mit seinem Dreizackschiff TARFALA und in Begleitung der beiden Haluter Icho Tolot und Lingam Tennar war er in die Raumzeitfalte geflogen. Das Experiment, das der Erforschung des Hyperdim-Attraktors hatte dienen sollen, war fehlgeschlagen. Die Energiekapsel, die ihnen nachgeschickt worden war, hatte sie nicht erreicht.
Der Mann, der jetzt in einer einsamen Existenzebene allein stand, hatte damals zu Icho Tolot gesagt, als die letzte Verbindung zu den Verschollenen zusammenzubrechen drohte: „Ich weiß, daß wir uns bald wiedersehen werden!"
Vielleicht hatte Boris Siankow als einziger verstanden, was er damit gemeint hatte. Er, der „kleine Mann", wie Tolot gern zu ihm gesagt hatte.
Er hatte damals nicht daran gezweifelt, daß Paunaro und seine Begleiter ein wichtiges Instrument verloren hatten - den Resonanz-Modulator. Aber es gab ja noch ein Reservegerät!
Und es gab ihn, der mit der Kraft seines Ki andere Wirklichkeitsebenen erreichen konnte. Ohne technische Hilfsmittel. Er allein war es, der einen Weg zur TARFALA öffnen konnte.
Die Geschichte hatte nur einen Haken.
Er kannte die Kraft des Ki, die Kraft im Zentrum des menschlichen Seins, die Seele, Geist und Körper eins werden ließ. Aber im Lauf der Jahre hatte sich gezeigt, daß er immer größere Schwierigkeiten bekommen hatte, mit dem Ki zielgerecht umzugehen.
Er hatte es sich nie so recht eingestehen wollen, aber es kam der Wahrheit sehr nahe, wenn er sagte, daß sein Ki dazu neigte, sich zu verselbständigen. Außer Kontrolle geraten wollte, so hätte er es auch formulieren können. Die Kraft pervertierte, sie veränderte sich zu etwas Unkontrollierbarem.
Das war das Risiko gewesen, das er auf sich genommen hatte, um seinen Freunden zu helfen. Mit Paunaro verband ihn viel.
Sie hatten Jahre zusammen verbracht, auf Akkartil und anderen Planeten.
Er hatte Kontakt zu Perry Rhodan, Myles Kantor, Boris Siankow und Jan Ceribo bekommen, aber nur für kurze Zeit.
Der Versuch, die instabile Existenzebene, auf der er die drei Verschollenen gefunden hatte, zu festigen, war gescheitert.
Sein Ki funktionierte nicht so, wie er es wollte. Und den Ersatzmodulator hatte er längst verloren.
Es gab keinen Weg zurück.
In seiner Not ergab er sich seinem Schicksal, schweigend und mannhaft.
Der Kontakt zu Paunaro und den beiden Halutern riß endgültig ab. Und er selbst fand sich, von seinem pervertierten und verselbständigten Ki
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