164 - Der Todessarkophag
Munante-Mitglieder, schlossen Bündnisse und Verträge untereinander.
Der Spieß drehte sich um, die Jäger wurden zu Gejagten. Die Machtposition der Munantes war erschüttert. Hermano versuchte seinen Brüdern und Schwestern zu helfen, was ihm auch eine Zeitlang glückte. Doch die Glücksgöttin hatte sich von den Munantes abgewandt. Die Feinde ließen Hermano nicht zur Ruhe kommen. Seiner Sippe ging es an den Kragen, und er wurde quer durch den Kontinent gejagt. In die Geschicke der Menschheit konnte er nur mehr selten eingreifen, das besorgten andere an seiner Stelle.
An diese Zeit dachte Hermano Munante in späteren Jahren nur höchst ungern. Es waren die bittersten Jahre seines Lebens.
In Europa überstürzten sich die Ereignisse. Bonaparte hatte sich entschlossen, die Landkarte zu seinen Gunsten zu verändern. Lissabon wurde eingenommen, und der königlichen Familie gelang die Flucht nach Rio de Janeiro. Dann wandten sich die napoleonischen Truppen gegen Spanien, und der unfähige König Karl IV. dankte ab.
Der Funke sprang auf Südamerika über. Der Wahlspruch lautete: „Es ist Zeit, das Tau zu kappen - das Schiff will auf Fahrt nach eigenem Willen gehen!"
1810 brachen in allen spanischen Vizekönigreichen Revolutionen aus. Fast zwanzig Jahre lang dauerten die Kämpfe der spanischen Kolonien um ihre Unabhängigkeit.
Es waren goldene Zeiten für Gewaltmenschen, Glücksritter und Abenteurer. Und vor allem für die Schwarze Familie, die am Zerfall der vier großen Vizekönigreiche maßgebend beteiligt war. Nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung setzten sich Kreolen, Dämonen, Mischlinge und Indianer an die Spitze der neuen Staaten Südamerikas. Die Weichen für kommende Militärrevolten, Staatsstreiche, Aufstände und Militärdiktaturen wurden in diesen Jahren gestellt.
In jenen Jahren schwebten Hermano Munante und die wenigen Clan-Mitglieder, die den Anschlägen entgangen waren, in ständiger Lebensgefahr. Sie flüchteten nach Brasilien, das von Kämpfen verschont geblieben war. Aber auch dort waren sie nicht sicher. Ihre versteckte Festung in den Bergen von Sao Paulo wurde von Dämonen belagert und fast erstürmt.
In letzter Sekunde kam die Rettung von einer Seite, mit der Herman Munante nicht gerechnet hatte. Der totgeglaubte Elia Gereon schlug die Feinde in die Flucht.
Verständlicherweise war Hermano Munante über Elia Gereons Auftauchen höchst erfreut, hatte er ihn doch über zehn Jahre lang nicht gesehen.
Auf seine bohrenden Fragen, wo er denn in all den Jahren gesteckt habe, gab Elia Gereon keine Antwort, denn darüber wollte er nicht sprechen.
„Deine Voraussagen haben sich nicht erfüllt, Gereon", sagte Hermano Munante verbittert. „Im Kampf gegen die Spanier kam mir keine entscheidende Bedeutung zu."
„Da irrst du dich, mein Freund", stellte Gereon fest. „Irgendwann wirst du das erkennen."
„Und was ist mit deiner Behauptung, daß ich diesen Kontinent beherrschen werde, Gereon?" fragte Hermano erzürnt.
„Du warst immer schon zu ungeduldig", rügte Gereon ihn. „Warte ab, mein Lieber, was die Zukunft für dich bereit hält. Verlasse in den nächsten Jahren nicht dieses Land."
Hermano hatte diesen Ratschlag beherzigt und es nicht bereut.
Am 22. Januar 1808 war die portugiesische Königsfamilie in Begleitung eines 10 000 Kopf starken Stabes im Hafen von Baia eingetroffen. Die Regentschaft für die geisteskranke Königin Maria führte ihr Sohn Johann, der in der Neuen Welt fast überschwenglich willkommen geheißen wurde. Johann, seine Frau und deren beide Söhne wurden im Triumphzug nach Rio de Janeiro geführt. Die geisteskranke Königin verschwand in einem Kloster, in dem sie acht Jahre später starb. Rio wurde die neue Hauptstadt, und Brasilien war nun nicht mehr Kolonie, sondern ein Königreich.
Die Einwohnerzahl des riesengroßen Landes betrug nur vier Millionen, von denen weniger als ein Viertel Weiße waren, während der Rest aus Negersklaven und Indios bestand. Johanns Regierung beschränkte sich auf die küstennahen Gebiete. Im Landesinnern, das noch weitgehend unerforscht war, regierte nach wie vor das Gewehr oder der indianische Bogen.
Hier fand nun auch die Munante-Sippe ein reiches Betätigungsfeld, über das der Chronist später einmal genauer berichten wird.
1821 kehrte König Johann VI. aus dem Exil nach Portugal zurück. Sein ältester Sohn, Prinz Pedro, regierte als Regent von Brasilien. Aber die Lage spitzte sich immer mehr zu.
Die portugiesischen Cortes
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