164 - Der Todessarkophag
keine Schwierigkeiten für uns.
Noch immer stand ich ganz im Bann des Fluges über den Cristo Redentor, dem bronzenen Heiland, der den Grenzpaß zwischen Argentinien und Chile markiert, den Gipfel des Aconcagua und dem sich dahinter erstreckenden Bergpanorama, das endlos war.
Wir verließen das Flughafengebäude und musterten die Taxis, die alle schwarz mit einem gelben Dach waren. Die Fahrzeugtypen waren höchst unterschiedlich.
Der erste Eindruck von Santiago war nur wenig beeindruckend. Ein mißmutiger Taxifahrer brachte uns ins Zentrum der Stadt. Der Smog ließ den Himmel verwaschen erscheinen. Die nahen Anden sahen wie ein riesiger Schokoladenkuchen aus, auf den jemand eine Portion Schlagsahne geschüttet hatte. Diese Millionenstadt war recht reizlos, aber zum Unterschied von anderen südamerikanischen Städten war sie relativ sauber.
Über die politischen Zustände wollte ich nicht urteilen, da ich davon zu wenig wußte. Doch für Diktaturen hatte ich noch nie viel Verständnis gehabt.
Wir fuhren nun die breite Prachtstraße entlang, die den Namen des Freiheitskämpfers Bernando O'Higgins trägt, die im Volksmund nur „La Alameda" genannt wird, wie uns der Fahrer erklärte, der langsam auftaute. Wunderschön fand ich die Klosterkirche San Francisco, weniger schön die Universität. Irgendwann bog das Taxi in eine der grauen Straßenschluchten ein, die zum ehemaligen Regierungspalast La Moneda führte.
Vor dem Carrera-Hotel, das der Moneda gegenüberliegt, blieb das Taxi stehen. Als wir ausstiegen, blickte sich Coco forschend um. Ich zahlte und ein Page eilte uns entgegen, der sich unsere Koffer schnappte.
Ein paar Minuten später betraten wir unser Zimmer im 12. Stockwerk. Es wirkte ein wenig schäbig, doch das störte Coco und mich nicht.
Ich steckte zwei Zigaretten an, reichte eine Coco, die dankbar nickte und einen der Koffer öffnete. Die Dämmerung brach herein, und die Anden leuchteten im Glanz der verschwindenden Sonne. „Was unternehmen wir nun?" fragte ich.
„Ich werde versuchen, Verbindung mit Rebecca zu bekommen. Sollte sie sich tatsächlich in Chile aufhalten, dann dürfte dies nicht schwierig sein."
Auf dem Tisch breitete sie ein schwarzes Samttuch aus, auf das sie eine faustgroße Kristallkugel stellte. Mit einer Kreide zog sie einen Kreis um die Kugel und schrieb das Zeichen ihrer Sippe nieder. Diese Vorbereitungen hatte ich schon oft gesehen, doch immer wieder faszinierten sie mich.
In der Zwischenzeit war es dunkel geworden.
Coco rief Rebecca, die Kugel pulsierte, doch nach wenigen Sekunden erlosch der Lichtstrahl.
Zu diesem Zeitpunkt wußten wir nicht, daß in diesem Moment Rebecca zum Haus des Vampirs unterwegs war. Sie hatte ihre Handtasche, in der sich eine ihrer Kugeln befand, im Auto gelassen. Aber Coco und Rebecca hatten ein spezielles System entwickelt, das nun Coco anwandte. Die Kugeln konnten nun ähnlich wie ein Telefonbeantworter funktionieren. Dazu war es allerdings notwendig, daß man außerhalb des Kreises ein paar nur den beiden bekannte magische Zeichen niederschrieb und ein Wort nannte, das sie aus Sicherheitsgründen wöchentlich änderten.
Ich drehte mich um, denn nicht einmal mir hatte Coco die näheren Einzelheiten verraten. Aber das Wortsystem war mir bekannt. Sie hatten sich das magische Tarot gewählt. Zu jeder Woche die passende Karte.
„L'Hermite", sagte Coco. „The Hermit oder der Einsiedler."
Da wir uns in der neunten Woche des Jahres befanden, war dies die Karte IX.
Nun durfte ich mich wieder umdrehen.
In der Kugel war nun ein alter Mann zu sehen, der mit einem blauen Mantel bekleidet war. Er stellte das Symbol der Tarot-Karte dar.
„Ich war bei den Silvers in New York", hörten wir Rebeccas Stimme. „Sie sind interessiert. Ich besuchte zwei Familien in Nordchile, die rechte Feiglinge sind. Ich fürchte, daß du mit deiner Vermutung recht behalten wirst, hier komme ich einfach nicht weiter. Heute ist der 28. Februar. Ich bin unterwegs zu einer alten Inka-Vampir-Sippe, die sich Tupac nennt. Niemand wollte mir etwas über diesen Clan verraten, ja, sie wollten mir nicht einmal sagen, wo sie wohnen. Aber das bekam ich schließlich heraus. Ein Tal in der Nähe von Tarapaca. Willst du mir eine Botschaft übermitteln, dann sprich jetzt."
„Ich bin in Santiago de Chile", sagte Coco. „Du schwebst in Lebensgefahr. Setze dich sofort mit mir in Verbindung."
Meine Gefährtin verwischte die magischen Zeichen und schob die Kugel in ihre
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