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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Knie. Sie setzte sich hin, lehnte sich an die Reling und schlang die Arme um die angezogenen Knie.
    Während der Kapitän an Deck kam und seinen Leuten Anweisungen für die Landung zubellte, schloss Aruula die Augen und konzentrierte sich auf ihre geheimnisvolle Gabe.
    Ihr Geist griff hinüber zu dem am Bug stehenden und zur Landungsbrücke schauenden Hohepriester. Narayan schüttelte sich plötzlich – wie ein Mensch, der verhindern will, dass sich eine Fliege auf seine Nase setzt. Aruula hatte den Eindruck, dass er sich ihrem Lauschsinn entgegen stellte. Sie zog sich verwirrt zurück.
    Normalerweise merkten die Menschen nicht, wenn Aruulas mentale Kräfte sie abtasteten. Auch Narayan schien nicht den Verdacht zu schöpfen, dass etwas im Begriff war, seine Ausstrahlung zu analysieren. Sein Körper reagierte instinktiv; er verhielt sich, als sei es ihm unangenehm, »angefasst« zu werden.
    Aruulas zweiter – behutsamer vorgenommener – Versuch ergab, dass Narayans Aura von einer starren Mauer aus Zorn umgeben war. Sie schirmte seinen Geist vollkommen ab und machte ihn unnahbar. Aruulas Gabe war nicht mit der eines Gedankenlesers zu vergleichen: Sie konnte eigentlich nur verborgene Stimmungen erkennen und aus ihnen Schlüsse ziehen. Der zweite Schreck traf sie, als sie begriff, dass sein Hass allein ihr galt.
    Was, bei Wudan…?, dachte Aruula fassungslos. Wie kann er mich hassen, wenn er mich doch gar nicht kennt?
    Ihr Geist breitete sich über Narayans gesamte Aura aus und tastete sie von Kopf bis Fuß ab. Ein Umriss bildete sich in ihrem Geist; die Silhouette einer Gestalt in einem schwarzen Umhang, die röchelnd in die Knie ging und Blut spuckte…
    Wer ist das? Aruulas geistiges Auge fuhr zurück.
    Das Bild wurde weiter. Sie sah ihr Schwert, das im Brustkorb der zu Boden gehenden Gestalt steckte, und zwei weitere Angreifer. Zu ihren Füßen war ein brennendes Lagerfeuer, hinter ihr ragte der Ballonkorb auf.
    Wudan! Der Kaàlit, den sie im Kampf getötet hatte, war Narayan wie aus dem Gesicht geschnitten!
    Aruulas Geist zog sich zurück. Sie atmete schwer aus.
    Das Boot ging an der Landungsbrücke längsseits. Die restlichen Kaàliten und Doggenmänner kamen an Deck und begrüßten den am Ufer stehenden Kutscher und seinen Gehilfen.
    Ich kann nicht hier bleiben, dachte Aruula. Ich muss weg.
    Sie legte eine Hand auf Kiras Schulter und drückte sie beruhigend. Und notfalls… auch ohne dich.
    ***
    Der neue Tag zog dunkelblau herauf. Dann rissen – wie häufiger in den letzten Wochen – die Wolken auf. Der von den Kratersee-Explosionen in die Luft gewirbelte Staub schien sich allmählich wieder zu legen. Sonnenglanz wärmte die beiden Männer, die dicht unter dem Himmel flogen.
    Pofski hatte sich und seinem Freund ein Frühstück aus altbackenem Brot und abgestandenem Quellwasser bereitet. Er selbst war aufgrund seiner sirbijakischen Erziehung sehr genügsam. Karan Khan jedoch, der aus einer vornehmen Familie stammte, bestand bei der jeweils ersten Mahlzeit eines neuen Tages auf einem gewissen Luxus. Es war ihm gelungen, Pofski zu überreden, an einem Flussufer zu landen und nach Essbarem zu suchen.
    Na schön. Eine warme Mahlzeit und die Möglichkeit, ein Bad zu nehmen, nahm Pofski für den Plan seines Begleiters ein. Eine halbe Stunde später war der Ballon an einem hohen Baum verankert und die beiden Männer stiegen mit den nötigen Kochutensilien versorgt an der Strickleiter zum Boden hinab. Unterwegs nach unten entdeckten sie – wie bestellt und geliefert – ein Nest mit drei großen Eiern und bedienten sich.
    Während Alexander Pofski in der angenehmen Sonnenwärme am Ufer nach einem Platz suchte, an dem man gefahrlos ins Nass steigen konnte, fachte Karan mit Hilfe herumliegenden Treibholzes ein Feuer an und wärmte die Pfanne vor.
    Wie der Russe feststellte, lud der Fluss nicht gerade zum Bade ein: Sobald man einen Stein oder ein Stück Holz ins Wasser warf, schoss ein Dutzend gefährlich aussehender Reptilien aus den ohnehin trüben Fluten empor.
    Dann sichtete Pofski weit flussaufwärts ein Schiff mit einem Schornstein. Die an Deck herumlungernden Herren sahen nicht so aus, als gingen sie im Tempel einer liebevollen Gottheit beten. Mit Hilfe seines Binoculars eruierte er, dass die an der Reling entlang flanierenden Damen in der Bordschwalbenbranche tätig waren. Offenbar war das Schiff ein schwimmendes Bordell.
    Als es an ihnen vorbeigefahren war, tauchte das nächste Schiff auf, allem Anschein nach

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