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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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zahlreiche Baumstämme und übel riechende Tierkadaver.
    An den Ufern zeigte sich niemand. Im Morgengrauen sah Aruula zum ersten Mal die an Bluthunde erinnernden Visagen der Besatzung. Sie sahen zum Fürchten aus. Wer mit einem solchen Äußeren geschlagen war, musste die Normalität einfach hassen.
    Die Schiffer waren so gelbhäutig, schlabbermäulig und schlappohrig wie Doggen.
    Ihre Stahlgebisse ließen sie noch animalischer aussehen. Das sie kleidende Leder erinnerte an Landsknechte, die sich nur für vier Dinge interessierten: Saufen, Fressen, Raufen und fegaashaa.
    Aruula hielt sie für Mutanten, doch laut Kira handelte es sich um Nachfahren eines während der Eiszeit isolierten und durch Inzucht degenerierten Stammes aus irgendeinem Bergtal.
    »Sie haben kaum Verstand, sind den Kaàliten aber treu ergeben.«
    »Was spielen sie für eine Rolle?«
    »Sie sind Söldner«, erwiderte Kira. »Sie stellen keinen Befehl in Frage und setzen ihn ohne nachzudenken in die Tat um. Man sagt, dass sie nicht die geringste Phantasie haben und deswegen auch nicht wissen, was ihre Taten anrichten.« Kira schüttelte sich vor Grauen. »Ich möchte lieber tot sein, als denen in die Hände zu fallen. Man sagt ihnen nach, dass sie ganz wild auf Frauen unserer Art sind und jede Schandtat begehen, um eine zu kriegen.«
    Aruula fühlte einen Schauder über ihren Rücken laufen, doch sie verdrängte den Gedanken. Wenn man sich selbst aufgab, war das Ende nah. Ihr fiel ein Lied ein, das Maddrax ihr einmal am Lagerfeuer beigebracht hatte:
    »Watch out now, take care, beware of thoughts that linger winding up inside your head the hopelessness around you in the dead of night beware of sadness…«
    Ja, hüte dich vor der Verzweiflung; lass gar nicht erst zu, dass sie sich in deinem Kopf breit macht.
    Aruula stand auf und reckte sich. Eine Gestalt an der Reling drehte sich um und schaute sie an.
    Außer den zweibeinigen Doggen hatte sie an Bord des etwa zwanzig Meter langen Bootes sechs oder sieben Kaàliten gezählt. Sanjay Narayan bekleidete die höchste Position: Wer ihm an Deck begegnete, verbeugte sich. Wer ihn ansprach, kniete sich vor ihm auf die Planken. Laut Kira war er nicht nur ein Hohepriester der Mördersekte, sondern auch ein Edelmann aus einer sehr hoch stehenden Kaste.
    »Woher weißt du das?«
    »Man sieht es an seiner Überheblichkeit und an den Frechheiten, die er sich herausnimmt.« Kira stand ebenfalls auf und trat neben Aruula.
    »Aber jeder könnte überheblich auftreten.«
    »Du verstehst unser Kastenwesen nicht. Kein Induu würde wagen, sich als etwas auszugeben, das er nicht ist.«
    »Nicht mal ein Bandit?«
    Kira schüttelte den Kopf. »Nicht mal ein Bandit. Ein Räuber aus einer niederen Kaste würde niemals einen Mann aus einer höheren Kaste berauben. Wenn er den Status seines Opfers nicht genau kennt, sucht er dessen Nähe, bis er ihn in Erfahrung gebracht hat. Darum entführen die Kaàliten mit Vorliebe Ausländische, die keiner Kaste angehören.«
    Das Boot änderte den Kurs und schwenkte nach Steuerbord ab. Aruula kniff die Augen zusammen und erspähte am dicht bewachsenen Ufer eine Landungsbrücke. Sie endete auf einem Platz vor dem Grün des Dschungels, der wiederum zu einem Waldweg führte.
    Die Landungsbrücke war zweifellos ihr Ziel. Auf dem Platz gewahrte sie eine vierräderige Kutsche, und davor vier zottige und gehörnte Zugtiere, die aus der Ferne wie Yakks aussahen.
    Aruulas Blick ging zum Wasser. Sie fragte sich, wie groß ihre Chance war, wenn sie über Bord sprang. Sie war eine gute Schwimmerin. Sie konnte auch lange unter Wasser bleiben, um Pfeilen oder Bolzen zu entgehen. Doch dann sah sie, dass die Schwanzfinnen von Shargatoren die Wasseroberfläche teilten, und sie nahm von ihrem Plan Abstand.
    Die Stimmen hinter ihnen nahmen einen freudigen Ton an.
    Als Aruula sich umdrehte und die Kaàliten aus schmalen Augen musterte, nahm sie so etwas wie Erleichterung wahr: Als hätten sie unter starkem Druck gestanden, der sich nun angesichts der Nähe ihres Reiseziels löste.
    Hatten sie etwa Angst gehabt, sie könnten ihr Soll an Opfern bis zum Termin nicht erfüllen?
    Die Brückentür ging auf. Narayan trat ins Freie, atmete die kühle Morgenluft ein und blies seinen Brustkorb auf. Sein Umhang wehte in der Brise. Er maß sie mit einem Blick, der anders war als am Tag zuvor.
    Boshaft. Tückisch. Voller Rachsucht. Seine Miene wirkte bedrohlich. Was hatte sie ihm getan?
    Aruula ging langsam in die

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