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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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wir uns näher kennen gelernt hatten, bot er mir an, mich nach Deeli zu begleiten – damit ich vor Räubern sicher bin.« Kira schaute traurig vor sich hin. »Ich war nach Ti'bai ( Tibet unterwegs. Dort wartet mein Bruder auf mich. Er ist Tuchhändler und hat wichtige Geschäftsbeziehungen geknüpft, die ihn noch mehrere Winter in Ti'bai halten werden.« Sie seufzte. »Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich werde ihn ohnehin nie wieder sehen.«
    »Was macht dich so sicher?«, fragte Aruula.
    »Diese Leute sind keine Verbrecher, die Lösegeld erpressen wollen. Es sind Kaàliten. Die lassen uns nie wieder gehen.« Sie zitterte nun am ganzen Körper.
    Aruula tröstete sie und erkundigte sich, was Kaàliten waren.
    Kiras Erklärung besserte ihre Laune nicht.
    »Und wer ist dieser Narayan?«, raunte sie.
    »Ein hoher Kaàliten-Priester«, erwiderte Kira leise. »Die anderen behandeln ihn mit großem Respekt. Sie haben Angst vor ihm. Er scheint ein Herr über Leben und Tod zu sein.«
    »Wohin bringt man uns?«
    »Zu einem Tempel in der Nähe von Agra. Ich habe gehört, dass Narayan sich mit seinen Helfern darüber unterhalten hat.«
    Kira schüttelte sich. »Wir werden nicht mehr lange leben.«
    Aruula legte eine Hand auf den Unterarm ihrer Mitgefangenen. Jetzt erst fielen ihr die außergewöhnliche Feinheit und der Glanz der Stoffe auf, aus der Kiras Kleider bestanden. »Was ist das für ein Material?«, fragte sie, um die junge Frau von ihren trübsinnigen Gedanken abzulenken. »So etwas Schönes habe ich noch nie angefasst.«
    »Der Stoff nennt sich sanshi« , erwiderte Kira. »Er ist sehr leicht und weich. Man stellt ihn in Ti'bai her.«
    »Was ist das für ein Land?«, erkundigte sich Aruula. »Ich habe den Namen noch nie gehört.«
    »Es liegt nordöstlich von hier. Man nennt es auch ›Land der Großen Berge‹. Die Menschen, die dort leben, sehen anders aus als wir. Sie sind hellhäutiger und haben mandelförmige Augen. Ihr Land ist sehr dünn bevölkert, da die Eiszeit fast alles Leben vernichtet hat. Die Luft ist dünn. Wenn man über den Schnee in den Bergen geht, spürt man, dass dort alles heilig ist. Jeder einzelne Stein. Und auch die Berge.«
    »Wirklich?« Aruula machte große Augen. »Und dort arbeitet dein Bruder?«
    Kira nickte. »Der Große Berg, in dessen Schatten das sanshi hergestellt wird, heißt Kei'lun. Wenn das Licht der Abendsonne an ihm herabfließt, sieht er angeblich so aus, als stünde er in Flammen.«
    In Flammen? Aruula stierte fasziniert vor sich hin. Das Bild, das Kira ihr gerade gemalt hatte – der in Flammen stehende Berg Kei'lun –, fand eine Entsprechung in ihren geheimsten Gedanken! Konnte es sich um den brennenden Felsen aus ihrer Vision handeln?
    »O Wudan…« Kira schlug die Hände vors Gesicht. »All diese Wunder, die ich nur aus einem Schreiben meines Bruders kenne, werde ich nun nie mit eigenen Augen sehen…«
    »Du glaubst an Wudan?« Aruula griff unter ihr Kleid. »Ich glaube, dann kann ich dir helfen.« Und sie löste das Beutelchen von ihrem Hüftband…
    ***
    Nachtflüge hatte Kapitän Pofski nie gern absolviert. Auch wenn ein Ballonpilot im Gegensatz zu einem Kutscher nur wenig Gelegenheit hatte, mit jemandem zu kollidieren: Im Dunkeln sah man wenig, und außerdem war das Luftmeer keinesfalls leer.
    Die meisten Vögel waren tagaktiv und klein und suchten das Weite, wenn die mysteriöse rote Kugel ihren Lebensraum durchquerte. Aber es gab auch andere, die größer, nachtaktiv und offenbar der Meinung waren, dass Wudan die Menschen mit Schwingen ausgerüstet hätte, wenn es in seinem Sinn gewesen wäre, dass sie ihnen Konkurrenz machten.
    Vor allem die riesigen Eluus schienen Pofskis Ballon mit Vorliebe für etwas zu halten, das ihnen ihren Status als Könige der Lüfte streitig machen wollte. Aus diesem Grund hatte er immer ein geladenes Gewehr im Korb. Das hätte zwar gegen einen der echsenartigen Avtars auch nichts genutzt, aber einem solchen Monstrum war der Russe glücklicherweise noch nicht begegnet.
    Ein Vultuur – ein nackthalsiger Aasfresser mit einer Flügelspannweite von gut drei Metern – war dagegen hauptsächlich lästig. Er griff zwar keine Menschen an, versuchte aber hartnäckig die Ballonhülle mit Krallen und Schnabel zu malträtieren. So auch jenes Tier, das Pofski durch das Binocular erspähte, als er den Himmel gegen Mitternacht nach Gefahren absuchte.
    An sich hätte der Kurs des postapokalyptischen Geiers an Pofski und Karan Khan

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