1641 - Die Blutmaske
schien sich nicht wohl zu fühlen, sie hob die Schultern, stöhnte auch leicht auf und hörte erneut die Frage.
Diesmal schärfer gestellt.
»Hörst du mich?«
Jetzt erfolgte die Antwort. »Ja, ich höre…«
Sogar die Cavallo zuckte zusammen, weil sie so überrascht worden war.
Vor ihr stand noch immer die Vampirin Claudine van Straaten, aber sie hatte die Antwort mit einer völlig fremden Stimme gegeben…
***
Justine Cavallo ließ sich so leicht nicht überraschen. Diesmal allerdings war sie ziemlich perplex, obwohl sie eigentlich mit einer Veränderung gerechnet hatte.
In den ersten Sekunden fand sie keine Antwort, und auch die Domina gab ihr keine. Sie stand vor der Breitseite des Tisches und bewegte sich nicht.
Justine dachte nach. Hatte sie sich verhört, oder war es tatsächlich eine andere Stimme gewesen? Ja, das musste so sein. Sie hatte viel dunkler geklungen. Zwar nicht wie die eines Mannes, aber trotzdem anders und auch leicht nachschwingend.
»Siehst du mich, Claudine?«
Die Antwort bestand aus einem Nicken. Dabei bewegte sich die Maske nicht. Sie schien für das Gesicht wie geschaffen zu sein.
»Sag mir, wer du bist.«
Zunächst blieb es still. Claudine trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Ihre Hände wischte sie an ihrem Uniformrock ab.
Sie sah aus wie jemand, der sich in einer Zwickmühle befand.
»Hast du nicht gehört, was ich dich gefragt habe?«
»Doch - das habe ich.«
Wieder war es die fremde Stimme, die gesprochen hatte.
»Dann gib mir eine Antwort!«, forderte Justine.
»Ich bin Gabriela Scotti!«
***
Justine Cavallo schwieg. Sie hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen erhalten zu haben. Da reagierte sie wie ein normaler Mensch, und aus ihrem Mund drang ein Zischlaut, der nicht darauf hinwies, ob sie zufrieden oder weniger zufrieden war.
Sie ließ einige Sekunden verstreichen. Erst dann wurde sie von einem gewissen Hochgefühl erfasst. Sie wusste Bescheid. All das, was sie sich vorgestellt hatte, war eingetroffen. Die alte Blutmaske hatte ihre Kraft nicht verloren, und das war es doch, was sie gewollt hatte.
»Geht es dir gut, Gabriela?«
»Es geht mir gut. Ich bin wieder da. Ich spürte es in mir. Es ist meine große Zeit gekommen, verstehst du? Ich bin voll und ganz mit mir zufrieden.«
»Ja, ich auch.«
»Ich kann mich zurechtfinden. Ich werde gehen. Ich werde suchen und auch finden, ich bin wieder der wandelnde Tod. Die Macht der Maske erfüllt mich…«
Die Cavallo sagte nichts. Sie schaute ihre Verbündete nur an, und sie sah kein menschliches Gesicht mehr vor sich. Durch die Maske wirkte Claudine völlig verfremdet. Die Nase stach weit vor, der Mund war offen, und in den Öffnungen waren die Lippen der Blutsaugerin zu sehen, die so weit offen standen, dass ihre Zähne im schwachen Licht schimmerten.
Justine hatte sich informiert. Sie wusste, welche Kraft in dieser Maske steckte. Den Beweis dafür hatte sie schon vor langer Zeit in der Lagunenstadt angetreten, und die Person, die diese Maske jetzt trug, hatte mit der früheren Besitzerin Gabriela Scotti nichts zu tun, und doch war deren Kraft auf sie übergegangen.
Ein Phänomen, das Justine Cavallo für sich nutzen musste. Endlich hatte sie jemanden gefunden, der stark genug war, um sie zu begleiten, denn der große Plan war noch nicht erfüllt worden.
Es war auch klar, dass sie nicht hier in dieser Baubude bleiben konnten.
Sie mussten weg, aber das würde kein Problem für die Cavallo sein. Sie hatte bisher immer einen Ausweg gefunden, und das würde auch jetzt so sein.
Claudine/Gabriela bewegte ihre rechte Hand. Die Finger legten sich um den Dolchgriff. Es war ihre Waffe damals gewesen, und das Würde auch heute so sein.
Sie hob den Dolch an, dessen Spitze nach vorn wies und auf den Körper der Cavallo gerichtet war. Ein Angriff erfolgte nicht, denn sie ließ die Hand wieder sinken.
»Es ist gut«, sagte die Cavallo. »Du kannst die Maske wieder von deinem Gesicht nehmen.«
Claudine/Gabriela zögerte noch. Sie schien sich damit wohl zu fühlen, und so verging eine Weile, bis sie sich überwunden hatte und die Maske von ihrem Gesicht entfernte.
Sie sah wieder normal aus, auch wenn ihr Gesicht für Justine nicht so deutlich zu erkennen war. Sie sah es mehr als einen blassen Fleck an.
Wäre sie ein Mensch gewesen, so hätte Claudine sicherlich schwer Luft geholt. Aber sie sah nur so aus wie ein Mensch, und ihre Reaktion bestand aus einem leisen Stöhnen.
Zudem war sie leicht
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